Bei Filmen, die im Zweiten Weltkrieg oder in der Nazizeit spielen, ist es aufschlussreich, sich zu fragen, welcher Wert jeweils als zentrale Antithese zum Vernichtungsimperativ im Nazi-Weltbild beschworen wird: In österreichischen Filmen gelten oft austropatriotischer Chauvinismus und Urigkeit als ultimatives Gegenmittel zu Hitler, in deutschen ist es häufig Sportlichkeit oder Sinnlichkeit, in US-Filmen ethnische Vielfalt oder ein Ethos des Überlebens, bei Tarantino waren es zuletzt (und zu Recht!) Kino und Baseballschläger, die als Antithesen zum Nationalsozialismus – und zur Reduktion rassistisch verfolgter Menschen auf den Status bloßer Opfer – herhielten (bzw. beidhändig hergehalten wurden).
In 'The Monuments Men' von und mit George Clooney ist es nun die Kunst. Ob per Diavortrag, Mission-Statement am Funkgerät, Dialogsatz oder Off-Kommentar zum Mitschreiben – der Star lässt keine Gelegenheit aus, uns Folgendes mitzuteilen: Der – teils historisch verbürgte – Einsatz eines Teams kauziger US-Kunsthistoriker in Army-Uniform 1944/45 (darunter hier auch ein Brite, ein Franzose und ein jüdischer Exilant aus Karlsruhe) zur Rettung europäischer Kunstgüter vor Nazi-Raub und Zerstörung, all das geschehe um der Grundlagen von Kultur und moderner Zivilisation willen. 'We do this for culture… If you destroy a people’s achievements it’s like they never existed: It’s like ash floating! That‘s what Hitler wants!' Also müssen wir da was dagegen tun.
Wie in anderen pep talk-Szenen von Kriegsfilmen – ultimativ von World War II combat movies, zumal von deren men on a mission-Variante – dient solches Deklarieren von Werten und Zielsetzungen dazu, ein Handeln zu motivieren, Aktionen ebenso wie Action. In 'The Monuments Men' allerdings scheint die auffällige Hartnäckigkeit der tiefsinnig daherkommenden Grundsatzdeklaration zunächst einmal als eine Art Gegengewicht zu fungieren: zu der Hartnäckigkeit nämlich, mit welcher in dem Film ansonsten Unbeschwertheit und gute Laune verordnet und durchexerziert werden. Zu Marsch- und Pfeifthemen im music score – die an den in unseren Breitengraden so benannten 'River Kwai-Marsch' erinnern würden, gäbe es da, wie in David Leans 1957er Sinnkrisen-Kriegsdrama 'Die Brücke am Kwai', ein Moment der Satire und des Umkippens vom Marschieren in den Leerlauf männlich-westlicher Selbstbehauptungs- und Ehrgefühlstradition (insofern liegt ein Vergleich mit dem Vorspannthema der 'Gendarm von St. Tropez'-Filme näher) – zu luschtiger Musik also machen Publikumslieblinge mit neu aufpoliertem Spaßvogelstatus Sachen zum Lachen: Insbesondere Team-Mitglieder John Goodman, Jean Dujardin, Bill Murray und Bob Balaban liefern Etüden in Patschertheit und stichelndem Herrenstreit, als wär‘s ein Münsteraner 'Tatort', hinzu kommen Running Gags (etwa über Matt Damons schlechtes Französisch) und ein Zahnarztsketch. Als Draufgabe im Bonusmaterial-Teil der DVD-Edition sind wohl Schwiegermutterwitze zu erwarten.
Wenn George Clooney und Matt Damon zusammen in einem Film auftreten, was sie ja nicht ständig tun, dann drängt sich auch die Erinnerung an eine höchst erfolgreiche Filmserie auf, bei der sie eben dies getan haben, nämlich in der Star- und Führungsriege eines Teams zu agieren, das zwar nicht Raubkunst ausforscht, rettet und rückholt, aber auf ähnlich gewagte und dreiste Art wie die 'Monuments Men' geraubte Gelder und Schätze – darunter, so ich mich recht erinnere, schon auch Kunst – zurückraubt. Es geht um Steven Soderberghs 'Ocean‘s'-Filme, 'Ocean‘s 11', '12', '13' von 2001, 2004 und 2007. Mit denen teilt 'The Monuments Men' die Freude an Sinn- und Schauwerten und Ritualen der projektorientierten Hochleistungstätigkeit im Freakteam-Verbund. Das geht von der Rekrutierung über diverse Briefing- und Trainingssituationen bis zu den Stationen der Ausführung des heist bzw. Coup (hier verteilt auf Kulturgut- bzw. Raubversteck-Standorte und Parallelplotstränge in Frankreich, Belgien, Deutschland und dem heutigen Österreich), zumal mit finalem Wettlauf gegen die Zeit in Richtung einer Schlusspointe: Bevor die trophy brigade der Roten Armee, die ab und zu in einem angedeuteten Erzählstrang auftaucht, die von den Nazis im Salzstollen zu Bad (oder Alt?) Aussee gelagerten Gemälde, Skulpturen und Altarflügel in die Finger kriegt, transportieren unsere rüstigen Monumentalburschen das Zeug gerade noch rechtzeitig selbst ab; dies nicht ohne, wie Clooneys sonore Stimme aus dem Off darlegt, 'leaving behind for our Russian friends something to take back to Leningrad' – nämlich (surprise!) eine riesige, über den Salzbergwerkstunneleingang gespannte US-Fahne. Hätte da jemand noch das (aus der GI-Humorkultur des Zweiten Weltkriegs stammende) Kilroy-Nasenmännchen draufgemalt und 'Up yours, Ivan!' dazugeschrieben, es wäre so schenkelklopfend fröhlich wie das Ende des Schatzjäger-hinter-deutschen-Linien-World War II-Freakteamklassikers 'Kelly‘s Heroes – Stoßtrupp Gold' mit Clint Eastwood. Aber es ist auch so schon heiter genug.
Hier sei zweierlei angemerkt: Erstens wird 'The Monuments Men' (dessen Plakat und tagline zunächst glauben lassen, die Titelhelden selbst seien die Protagonisten des 'größten Kunstraubs der Geschichte', was einer gewissen Ironie nicht entbehrt) seinen eigenen Kriterien als Freakteamkomödie nicht ganz gerecht. Denn in einem solchen Film will ich doch die farbenfrohe Riege pittoresker Radikalindividualisten möglichst oft und markant vollständig im Bild sehen; in Clooneys Film hingegen steigt doch ab und an das Gefühl allzu deutlich hoch, dass die Figurenverteilung im Bild sich nach den vollen Zeitplänen der Darsteller richtet. Nun, das ist aber eh nicht so wichtig. Zweitens soll durch diese Kritik auch nicht der Eindruck entstehen, es ginge darum, einen Hollywood-Film dafür zu schelten, dass er sich einem Thema wie Krieg, Raubkunst und damit dem Holocaust (die Nachdenklichen unter uns sagen dann, das seien 'ernste Themen', und glauben, damit sei viel gesagt) auf eine Weise nähert, die auch Lachen hervorruft. Das hat 'Inglourious Basterds' auch getan – in sehr sinnträchtiger, geschichtspolitisch und v.a. opferbildfixierungskritisch ergiebiger Weise.
Insofern ist zunächst die (wie fast immer) bescheuerte deutschsprachige byline zum Titel aufschlussreich, zumindest selbstverräterisch: 'The Monuments Men – Ungewöhnliche Helden'. Ah ja! Muss ja, denn üblicherweise sehe ich in Hollywood-Filmen ganz gewöhnliche Helden, bzw. ist ja das Wort 'Held' offenbar schon ein Synonym für Gewöhnlichkeit, weshalb es der Betonung des 'Ungewöhnlichen' dringend bedarf. Nun, in einem gewissen Sinn stimmt das nun aber, wenn der Titel samt byline impliziert, dass an diesen Figuren etwas ist, das als ungewöhnlich betont werden soll, ihre Heldenhaftigkeit bzw. ein Aspekt von dieser nämlich. Anders gesagt: 'The Monuments Men' positioniert sich – und sein deutscher Verleihtitel ist da nur die Zuspitzung davon – ostentativ als ein World War II combat film aus Hollywood, der auf eine Zeit folgt – und abschließend auf diese Zeit zurückschaut –, in der Hollywooods-'Weltkrieg Zwei'-Filme ihre Helden vorwiegend im Zeichen ihrer Opferschaft, als von der Geschichte Gebeutelte, als Leidensträger, Versehrte, ums Leben Betrogene und Traumatisierte gezeichnet haben.
Zum einen 'sagt' dieser Film, der so gern so vieles so explizit sagt, auch (implizit aber laut): Die Ära des traumatophilen Geschichtskinos ist vorbei – Juhu, es geht wieder lustig zu in World War II! Es geht um einen Abschied vom Trauma-Kino, das insbesondere auf die Vorbildwirkung von Spielbergs Filmdoublette 'Schindlers List' (1993) und 'Saving Private Ryan' (1998) zurückging und seinerzeit zu verstehen gab: Geschichte, das heißt Gedächtnis, und das wiederum heißt Trauma, und das in der Geschichte als Trauma-Gedächtnis Erfahrungen machende Subjekt, das ist nicht der Held, sondern menschlicher Teil eines Zusammenhangs traumatischer Wahrnehmungs- und Handlungskrisen und wiederkehrender Nachwirkungen, also Opfer, Zeugen, Überlebende, (verhinderte) Retter beiderlei Geschlechts. Zu diesem Trauma-Kino der Neunziger- und Nullerjahre (in Sachen World War II etwa auch Filme wie 'Windtalkers', 'Hart‘s War', 'Flags of Our Fathers' und 'Letters from Iwo Jima', der Stalingrad-Euro-Pudding 'Duell – Enemy at the Gates' oder manche Stauffenberg-Memorial-Filme) formulierte 'Inglourious Basterds' 2009 einen Gegenentwurf – kurz gesagt: Wendung von Opferschaft hin zu öbszön anmutender Handlungsfähigkeit dort, wo nur Ohnmacht vorgesehen war –, einen Gegenentwurf, der eine Art Hommage enthielt (rund um Tarantinos Bilder der Cinephilie, die z.T. auch von Spielberg hätten sein können). 'The Monuments Men' geriert sich nun als Abschied vom Traumakino, der ebenfalls ambivalent ausfällt.
Da ist nämlich nicht nur die Geste des 'Juhu' – Juhu, wir haben die feschen, gloriosen Helden und ohne alle dirtyness unzweideutig fröhlich gestimmten Filme zum Thema Zweiter Weltkrieg wieder, wir machen wieder einen auf Ungewöhnlich, nachdem nun zwanzig Jahre lang die allzu gewöhnlichen Opfer als Helden figuriert haben bzw. die Gebrochenheit und traumatische Memoria der Helden zur Gewohnheit geworden ist. Da ist, zusätzlich und gar nicht so gegensätzlich dazu, auch der Gestus des Wieder-Aufsuchens des Traumas, halb ehrfürchtiges Starren auf dessen Orte, dessen filmische Topoi, halb Plünderung und Zweckentfremdung seines Bestands, um es in der vom Film nahegelegten Sprache des Kunstkonsums bzw. -raubs zu sagen. Oder, um einen bereits gezogenen Vergleich, den 'The Monuments Men' unweigerlich ins Spiel bringt, weiter zu entfalten: Clooneys Film ist eben nicht nur eine Neuauflage von 'Ocean‘s 11, 12, 13' im Zweiten Weltkrieg, sondern ein Stück weit auch eine Neuauflage von 'The Good German' in Farbe. In letzterem Retro-Noir von Steven Soderbergh hatte Clooney 2007 an der Seite von Cate Blanchett – die nun in 'The Monuments Men' eine pariser Gemäldesammlungskuratorin darstellt – einen US-Army-Offizier im besetzten Berlin unmittelbar nach Kriegsende 1945 gespielt; manche der betulichen Betonungen der Verbreitung deutscher Schuld am Massenmord an den Jüdinnen und Juden – nicht die Betonung der Schuld soll hier moniert werden, sondern deren Betulichkeit (zumal dort, wo Baseball manchmal das bessere spielfilmische Spiel ist) – scheinen aus Soderberghs Film heraus in Clooneys Regiearbeit nachzuhallen, so etwa der lange, gezierte Dialog mit dem gefangenen Konzentrationslagerkommandeur gegen Ende von 'The Monuments Men'.
(Fußnötchen: Noch eine andere Film-Doublette tritt zur Rahmung der Ambivalenz von 'The Monuments Men' gegenüber dem Trauma-Kino hervor; in Erweiterung der Soderbergh-Doublette ist es die Heslov-Doublette. Grant Heslov spielt in 'The Monuments Men' die kleine Rolle eines US-Armeearztes; er hat den Film mit Clooney zusammen geschrieben und zuvor, 2009, eine weitere, allerdings mehr satirisch angelegte Militärkomödie im Freakteam-Modus mit Clooney, nämlich 'The Men Who Stare at Goats – Männer, die auf Ziegen starren', inszeniert. Heslov hat aber auch zwei ostentativ nachdenkliche, sich in moralischen Notständen ergehende Polit-Dramen mit Regisseur bzw. Darsteller George Clooney geskriptet – 'Good Night, and Good Luck', 2005, ebenfalls in Retro-Schwarzweiß, und 'The Ides of March', 2011. Der Abspann von 'The Monuments Men' bringt die Doppelung noch einmal auf den Punkt: Er zeigt zuerst grobkörnige Schwarzweißfotos der 'echten' US-Raubkunstretter von 1945, stellt sich somit in die authentizistische, in Schwarzweiß-Bildern allerlei Verlogenheit anprangernde Linie von 'Good German' und 'Good Night…', und zeigt dann doch, wie in einem guten alten Hollywood-Film der 1930er oder einem jüngeren Gute-Laune-Film, Vignetten mit Signation-Bildern der Stars des Films, bleibt damit also eher dem – im Doppelsinn – Nummern-Prinzip der 'Ocean‘s'-Filme bzw. der Männer, die grinsen, prosten oder starren, wenn auch eher auf Gemälde und Madonnen denn auf Ziegen, treu.)
Um sich also vom Trauma-Kino zu verabschieden, sucht 'The Monuments Men' es noch einmal auf oder eher heim: Der Raubkunstrettungsklamaukstationenlauf von Bayeux und Brügge bis Aachen und Aussee pfropft sich dem insbes. spielbergschen Kino der 'Rettung von Leben im bewegenden Bild' dreist auf. Nicht nur am Strand der Normandie trampeln die dem Ozean (und den Ocean‘s) Entstiegenen bzw. per Landungsboot Landenden durch Spielbergs Motivterrain, um monument werden zu lassen, wo eben noch memory war. Hier ein Dialogfetzen über den Tausch-Wert von Menschenleben, dort ein deutscher Fallschirmjäger, der sich mit den gegnerischen Amis durch Namensnennung von John Wayne verständigt (den allerdings 1944 in Deutschland noch niemand kannte), wo in 'Saving Private Ryan' seitens des Wehrmachtssoldaten mit dem Abspann-Namen 'Steamboat Willie' von ebendieser Hollywood-Cartoonfigur (sowie von Betty Boop) die Rede war. Die quasi rhetorisch und mit self-congratulatory Effekt am Filmende bzw. Kriegsende an Clooney gestellte Frage, ob die paar Schinken und Altäre das alles wert gewesen seien, und ob er glaube, dass sich 'thirty years from now' noch jemand an die Rettung der Kunstwerke erinnern werde, mündet in 'The Monuments Men' in eine antwortförmige, also noch einmal groß Sinn akkumulierende Schlussszene: 1977 besichtigt den Flügelaltar zu Ghent, zusammen mit seinem Enkelsohn, ein greiser Raubkunstretter – gespielt pikanter Weise von Nick Clooney, seines Zeichens Vater von Sohn George. Da weht ein Hauch von Wirklichkeit, die, an der Hand der Fiktion geführt, noch einmal mit wackeligen Beinen einen sakralen Gedächtnisort aufsucht, so wie die überlebenden 'Schindlerjuden' an der Seite ihrer DarstellerInnen im Epilog von 'Schindlers Liste' oder, Spielbergs Komplementärszene dazu, der greise Ex-US-Soldat als älteres Selbst eines Protagonisten von 'Der Soldat James Ryan' auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof in der Normandie, in Ehrfurcht inmitten von wenn schon nicht Altarflügeln, so doch jenen Grabkreuzen, von denen wir nun in 'The Monuments Men' en passant sehen, wie sie in die Normandie gekommen sind: Als das Team rund um Clooney und John Goodman den eben vom Good German befreiten Atlantikstrand betritt, werden zusammen mit anderen Truppenversorgungsmaterialien auch die ersten Stapel der markenzeichenhaften weißen Grabkreuze angeliefert. (Und wer spielte noch gleich Spielbergs zu rettenden Private Ryan, der sich als alter Mann, over fifty years from now, mit seinem Nachwuchs an der Seite immer noch der seinerzeitigen Rettungsmission erinnert, von der nie ganz klar schien, ob sie all die Opfer wert sei? Das war doch dieser Kunstretter mit dem schlechten Französisch… Wie da die Echos und Nachbilder durch Filme spuken, das ist schon damonisch.)
Aus dem Sinnhaushalt des Trauma- und Rettungskinos heraus verschafft 'The Monuments Men' sich das Quantum Bedeutsamkeit, mit dem er seine Handlung antreibt und nobilitiert. Die Anrufung des Motiv-Inventars von Filmen, die den Zweiten Weltkrieg im Weichbild des Holocaust und einer – oft problematisch – metaphorisierten jüdischen Opferschaft inszeniert hatten, ermöglicht erst die großspurige Ansage, dass die Bewahrung von Kunstschätzen und Kulturgütern als genuine Antithese zu dem, was die Nazis wollen, zu verstehen sei.
Insofern macht es Sinn, sich zuletzt zu vergegenwärtigen, was das für Kunst ist, die in und von den 'Monuments Men' gerettet wird, um die Perfidie einiger seiner Positionierungen gegenüber dem Altbestand (dem film cultural heritage quasi) des Trauma-Kinos zu ermessen. Ein letzter Vergleichsfilm: Nicht nur in seiner Eröffnungsmontage, aber da ganz prominent, zitiert 'The Monuments Men' den thematisch verwandten, genau fünfzig Jahre alten Kriegs-Actionfilm 'The Train' von John Frankenheimer (mit Burt Lancaster als Resistance-Mann, der den Abtransport französischer Gemälde nach Deutschland verhindert). Spielte der Vorspann von 'The Train' 1964 mit der Ambivalenz von Bezeichnungen/Benennungen, die einen Wert bemessen, indem da anonyme Kisten im Schnellschnitt und per Schablone mit klingenden Namen – 'Cezanne', 'Gauguin', 'Matisse' – markiert wurden, so leistet der Beginn von 'The Monuments Men' Ähnliches in Form von Detailaufnahmen des Ghenter Altars, die akustisch 'unter den Hammer kommen'; die Altarsbilder scheinen also eine obszöne Festlegung ihres Werts (bei einer Auktion o.ä.) zu erfahren, bis die retroaktive Montagekonstruktion nach einigen Schnitten klar macht, dass das dumpfe Hämmern nicht einem Verkauf gilt, sondern Holzkeilen, durch die Kisten fixiert werden, die nicht der Verhökerung des Sakralkunstschatzes durch die Deutschen, sondern seinem Verstecken vor ebendiesen seitens des belgischen Untergrunds dienen sollen.
Kunst wird also gerettet, nicht vermarktet: Das stellt 'The Monuments Men' schon eingangs mit ambivalentem Hammerschlag fest. In Frankenheimers 'The Train' wird oft darüber gestritten, ob das, was in den von den Deutschen verschlossenen Güterzug-Waggons weggebracht wird, so wertvoll sei, dass man dafür die Leben französischer Eisenbahner und WiderstandskämpferInnen opfern könne: Das ist ein für uns heute leicht auf seine inszenatorisch performten Fehlstellen, seine performed failures (Thomas Elsaesser) hin lesbares Bild, nun, da verschlossene Güterzüge zu Film- und Geschichtskultur-Ikonen geworden und so viele Filmbilder und Gedächtnisbildungen um den Holocaust, die Deportationen, das Zählen und Abwägen der Tauschwerte von markierten, aber namenlosen Leben herum zentriert worden sind. ('The Train' 1964, das war noch fünfzehn Jahre vor der TV-Serie 'Holocaust' und dreißig Jahre vor der Ausformulierung des Trauma-Diskurses in Geschichtstheorie und -kino.) 'The Monuments Men' verrät merkliche Genugtuung darüber, in der Frage, was das Wertvolle, Problematische, Bedrohte in the train und hinter den Bildern ist, längst nicht mehr bei Andeutungen und Verschiebungen bleiben zu müssen: Das Reden über den Wert der geopferten Leben versus dem Wert der Kunst – in Clooneys Film auch nicht weniger 'Holzhammer'-haft als in Frankenheimers Film vor einem halben Jahrhundert – verbindet sich da nun mit diversen expliziten Referenzen auf jene, denen Kunstschätze und oft auch ihre Leben genommen wurden. 'What is all this?' – 'People‘s lives.' – 'What people?' – 'Jews.': So verläuft einmal, inmitten von Stapeln von Hausrat und Ziergegenständen, ein Dialog zwischen dem fassungslosen Damon und der ob ihres Wissens bitteren Blanchett. Dass in 'The Monuments Men' der Jüdinnen und Juden gedacht wird – der von den Nazis vom Museumsbesuch ausgeschlossenen Mitbürger, der enteigneten Familien, der geplünderten Synagogen und ermordeten Kunstsammler –, dafür muss man den Film nicht groß loben; darauf ist er eh selber stolz genug.
Das Perfide an dieser innigen Umarmung, mit welcher 'The Monuments Men' gegenüber der (Film-)Ästhetik und Rhetorik des Traumas gönnerhaft einzuräumen scheint, man könne doch nun endlich alles klar und offen aussprechen, auch den jungen Soldaten Private Epstein eine Tora-Rolle in eine Synagoge zurückbringen lassen und insgesamt auf all die Chiffren, Übersetzungen und umschreibenden Beschriftungen verzichten, man könne also, nach all den Windungen und Wendungen der Memory, wieder Monument-Mann in klaren Formen und Ansagen sein – kurz, der Haken an dieser Sache ist der Preis für so viel Feierlichkeit und Sakralität: Den entrichten einmal mehr jene, denen die Rede des Ressentiments seit jeher nachsagt, dass bei ihnen alles, auch das Heilige und Schöne, einen Preis habe. In 'The Train' werden die Werke einer modernen Malerei, die als 'entartete' und so im Blick der Nazis generell als jüdisch galt, auch wenn ihre Urheber es häufig nicht waren, per Namensschild ostentativ individuiert; 'The Monuments Men' hingegen tritt vom ersten Hammerschlag an mit der ostentativen Ansage auf, dass Kunst nicht zu verhökern und grundsätzlich eine sakrale Sache sei. Während Spielberg sehr genau den einen verlorenen Davidstern unter den vielen Grabkreuzen auf dem Friedhof in der Normandie in der Rahmenstory von 'Saving Private Ryan' am Rand des Bildes auftauchen und ein Fehlen performen lässt, werden in 'The Monuments Men', als sei es programmatisch, nur christliche Kreuze am Atlantikstrand angeliefert und wird die von den Nazis geraubte Kunst ganz als altehrwürdiger, alteuropäischer Kulturbestand, paradigmatisch als Sakralkunst, insbesondere christliche, verstanden. 'Are you a Catholic?' – 'I am tonight!' heißt es da im Dialog zwischen zwei Kunstretter-Soldaten, die von der Anmutung und Gefährdetheit einer Madonnendarstellung zutiefst ergriffen sind.
'If you destroy a people’s achievements it’s like they never existed, it’s like ash floating!' Clooneys Grundsatzrede im Film zitiert mit der dahintreibenden Asche ein ikonisches (Wort-)Bild des Holocaust herbei, um es zu universalisieren, in Richtung der Rettungswürdigkeit des europäischen Kulturerbes schlechthin. Diese Universalisierung allerdings – und das ist das Perfide und so anders als die Konstruktionen Spielbergs und Tarantinos – wird im zweiten Schritt aufgeboten, um genau die Enteigneten weiter zu enteignen, parallel zur Christianisierung der Kunst und ihres Gedächtniswerts. Das zu Rettende der Kunstschätze, so heißt es denn auch in 'The Monuments Men', gehöre der ganzen Menschheit; es dürfe nicht einzelnen Individuen gehören. Ungefähr das wird jedes mit Restitutionsansprüchen seitens IndividualeigentümerInnen und ErbInnen konfrontierte Museum, das Nazi-Raubkunst aus jüdischem Besitz so verdienstvoll der Allgemeinheit zugänglich macht, auch gern sagen wollen; aber so offenherzig, monumental und doch unbeschwert pfeifend ausgesprochen wird es nicht oft. Das gibts halt nur im Film.
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