The Zone of Interest

(USA/GB/PL 2023; Regie: Jonathan Glazer)

Normalität inmitten des Grauens

Es braucht seine Zeit, bis sich die dunkle Leinwand mit den Farben der Natur füllt und der düster-sphärische Klangteppich von unbekümmertem Vogelgezwitscher abgelöst wird. Inmitten einer sattgrünen Uferlandschaft picknickt eine große Familie an einem Fluss oder See. Fahles, bleiches Sonnenlicht bescheint diese Alltagsidylle. Aus der Distanz aufgenommen, sind nur die Wortfetzen beiläufiger Dialoge zu hören. Das Leben erscheint normal und selbstverständlich. Nichts deutet zunächst darauf hin, dass Jonathan Glazers neuer, vielfach ausgezeichneter Film „The zone of interest“, der vom gleichnamigen Roman des englischen Schriftstellers Martin Amis inspiriert ist, mitten im 2. Weltkrieg in Polen spielt; und zwar in unmittelbarer Nähe des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Die Exposition endet dann auch mit einer Autofahrt durch die Nacht und mit dem Löschen der Lampen im Haus des Lagerkommandanten Rudolf Höß (Christian Friedel).

Dieses stattliche Haus mit seinem weitläufigen, prächtig blühenden „Paradiesgarten“, mit seinem großen Gewächshaus und dem Swimmingpool, alles sorgsam gepflegt von Zwangsarbeitern, befindet sich direkt neben dem Arbeits- und Vernichtungslager. Nur eine hohe Mauer trennt die Normalität vom Grauen, ein relativ sorgloses Wohlstandsleben vom gewaltsamen Tod, das Paradies von der Hölle. Diese immer wieder aktuelle Gleichzeitigkeit gegensätzlicher Welten, vermittelt als Schrecken über parallele Welten, treibt Glazer mit seinem kühl und distanziert inszenierten Film ins Extreme. Für einmal geht es nicht um gängige Täter-Opfer-Schemata, sondern um den Blick auf ein angeblich „normales“ Leben und auf Menschen, die wiederum angeblich keine gewissenlosen „Monster“ sind, sondern gehorsame Rädchen im Getriebe eines zerstörerischen Machtapparates. Die Todeswelt jenseits der Mauer ist nur in den angeschnittenen Bildern von Dächern, Wachtürmen und rauchenden Schloten sichtbar und wird hauptsächlich über Schüsse, Schreie, Befehlsrufe und Hundegebell auf der mit einem beunruhigenden Grummeln unterlegten Tonspur vermittelt.

Der englische Filmregisseur Jonathan Glazer konnte seinen verstörenden Film an Originalschauplätzen drehen. Um eine möglichst authentische Atmosphäre zu kreieren und seine Schauspieler frei agieren zu lassen, hat er auf ein klassisches Filmset verzichtet und stattdessen zusammen mit seinem polnischen Kameramann Łukasz Żal zahlreiche versteckte, ferngesteuerte Minikameras installiert. Daraus resultiert unter anderem die Betonung der oftmals in diagonaler Perspektive aufgenommenen Räume, der langen Flure und Türen „unseres Zuhauses“, wie Hedwig Höß (Sandra Hüller), die stolze „Königin von Auschwitz“, einmal sagt. Als die Statik dieses Wohlstandssymbols durch die Versetzung ihres Mannes kurzzeitig ins Wanken gerät, ist es vor allem die Mutter von fünf Kindern, die sich wütend und verzweifelt an ihren unrechtmäßigen Besitz klammert.

Diese vielleicht allzu menschlichen Regungen stehen neben einer vom Film behaupteten „Normalität“ eines Verhaltens, das sich, kaum verstehbar, in gewissenloser Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern der Gewaltdiktatur ausdrückt. Nicht ganz unproblematisch erscheint auch die Fortsetzung der Idee paralleler Lebenswelten, wenn in der Jetztzeit eine Gruppe von Reinigungskräften die Vitrinenscheiben der von Zeugnissen des Grauens angefüllten KZ-Gedenkstätte putzt.

Hier gibt es eine weitere Kritik zu „The Zone of Interest“.

The Zone of Interest
USA, Großbritannien, Polen 2023 - 105 min.
Regie: Jonathan Glazer - Drehbuch: Jonathan Glazer - Produktion: Ewa Puszczyńska, James Wilson - Bildgestaltung: Lukasz Zal - Montage: Paul Watts - Musik: Mica Levi - Verleih: Leonine Distribution - Besetzung: Sandra Hüller, Christian Friedel, Freya Kreutzkam, Ralph Herforth, Max Beck, Ralf Zillmann
Kinostart (D): 29.02.2024

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt7160372/
Foto: © Leonine Distribution