Talk to Me

(AU 2022; Regie: Danny Philippou, Michael Philippou)

Sommer-Challenge: Handerlhalt-Horror

Zum heutigen Teen-Horror-Repertoire gehören Filme, in denen junge Leute ein Objekt finden, das ihnen alle möglichen Wünsche erfüllt: Sie müssen sich dafür dem jeweiligen Dingsbums – oft ist es eine Art Medium: Polaroid-Kamera, Zauberkasterl, Ouija-Board – allerdings rückhaltlos rituell hingeben. Darauf folgt dann erwartungsgemäß die Übererfüllung der Wünsche mit schaurigen Kollateralschäden und jeder Menge Katzenjammer.

So ist es auch im australischen Melancholiegrusler „Talk to Me“: Eine weiße Hand – ob Gips-Zierrat (so sieht sie aus) oder einbalsamierter Leichenteil (so heißt es), ist egal – wird einer multiethnischen jungen Clique zur Partydroge. Wer nämlich diese Hand für einige Sekunden hält, sieht ramponierte Tote vor sich, die auf Zuruf eine Minute lang von den zur Mutprobe Angetretenen Besitz ergreifen. Das ist trippig für die Jeweiligen – und eine Mordsgaudi für jene rundum, die sie dabei mit ihren Telefonkameras filmen und ohne erkennbaren Abnutzungseffekt schadenfreudig kichern. Eh klar sind manche von ihnen irgendwann sehr traurig, weil Kontakt mit toter Mutter und viel unaufgearbeiteter intergenerationaler Schmerz, na so was!

Der Habitus von High School- oder College-Anfangs-Kids ist in anderen Filmen nur ein Hintergrund für bizarre Todesserien – hier rückt er nun (for better or for worse) in den Vordergrund: Ein prägnant als schizophren herausgearbeitetes Wechselspiel zwischen Apathie (Herumhängen am Handy) und boshafter Euphorie (Herumfilmen mit Handy), das in eine etwas ausgestellte Verletztheit als ostentativ authentische Existenzweise mündet. Im Misch-Diskurs zwischen Kritik und PR wird „Talk to Me“ dafür – und für das Auftauchen im Dialog von Jargonwörtern, an denen Leute wie ich erkennen (sollen), dass hier echte Jugendliche so reden wie echte Jugendliche – als irgendwie echt gelobt. Wird schon so sein. Jedenfalls treiben nicht Kiffen, Sex oder Nerd-Wissen (wie einst in „Halloween“ oder „Scream“), sondern Verlust und Trauma hier zarte Seelen und Körper um. Sie halten Handys und sehen sich; sie halten die Hand, sehen Tote und halten es nicht mehr aus. Don’t Fear the Reaper.

Das ist gut gespielt (vor allem von Sophie Wilde in der Hauptrolle) und eh gepflegt inszeniert, von dem australischen Online-Content-Providing-Scherzkeks-Duo Danny & Michael Philippou, die das Machen eines Horrorfilms eingestandenermaßen als etwas sehen, das einfach getan gehört, sei’s als Karriere-Move oder als eine Challenge, die zum Gaudium der Peergroup absolviert sein will, oder wo ist der Unterschied… Viel musst du ja eh nicht tun, der Film ist kurz, der Cast ansehnlich, die schöne lange Eröffnungsszene könnte aus „It Follows“ stammen, das Grinse-Sujet auf dem Plakat aus „Smile“. (Siehst du es auch so?) Außerdem trägt man heuer A24 und vulnerability, und was herauskommt, ist hohl (wie die Hand), aber hip.

Diese Besprechung erschien zuerst in handschriftlicher Fassung im Rahmen einer karriereboostenden Filmkritik-Challenge und dann in Kurzfassung in der Wiener Stadtzeitschrift Falter.

Talk to Me
Australien 2022 - 94 min.
Regie: Danny Philippou, Michael Philippou - Drehbuch: Danny Philippou, Bil Hinzman - Produktion: Samatha Jennings, Kristina Ceyton - Bildgestaltung: Aaron McLisky - Montage: Geoff Lamb - Musik: Cornel Wilczek - Verleih: Capelight Pictures - FSK: ab 16 - Besetzung: Sophie Wilde, Alexandra Jensen, Joe Bird, Otis Dhanji, Miranda Otto, Zoe Terakes, Chris Aloosio, Marcus Johnson, Alexandria Steffensen
Kinostart (D): 27.07.2023

DVD-Starttermin (D): 08.12.2023

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt10638522/
Foto: © Capelight Pictures