Bagdad, im Winter 2006. Drei Jahre ist es her, dass die von den USA angeführten Truppen in den Irak einmarschiert sind. Und wie sieht es nun aus? Gewalt von Islamisten, nächtliche Ausgangssperren. Stromausfall. Was als Befreiung von einer Diktatur proklamiert wurde, führt zu neuen Missständen.
Die irakische Regisseurin und Drehbuchautorin Maysoon Pachachi führt das Publikum in ihrem neuen Film „Unser Fluss… Unser Himmel“ zurück in den Irak nach dem Krieg, nach Saddam Hussein. Am Beispiel einer kleinen Nachbarschaft von Menschen unterschiedlicher Religion und Herkunft zeigt sie, wie sich das Leben nun anfühlt.
Trotz Anschlägen, Leid und Elend. Die Menschen kämpfen um Normalität und Nähe, lachen und ziehen ihre Kinder groß. Welche Zukunft werden sie dort haben? Das fragt sich auch Sara, einst gefeierte Lyrikerin, nun alleinerziehende Mutter und Autorin ohne Text. Alles, denkt Sara, was sie schreiben würde, müsste Lüge sein: Kriegshorror und Traumata sorgen bei ihr für die Schreibblockade. Sie fährt mit ihrer Tochter über den Tigris und rekapituliert ihr Leben, Chancen und Aufgaben für sich und das Kind.
Zukunft ist ein großes Stichwort, Flucht eine dauerpräsente Überlegung. Erst ein Treffen mit ihrem ehemaligen Literaturdozenten lässt sie zu neuen Erkenntnissen kommen. Der Lehrer erinnert sie daran, welch großes Talent sie besitzt. Wäre es nicht besser, sich über das Schreiben das Land – metaphorisch „Fluss und Himmel“-, den Tigris und ganz Bagdad wieder anzueignen?
Regisseurin Pachachi erschafft mit der Geschichte Saras elegische Bilder einer zerstörten Stadt, in der trotz allen Übels die Menschlichkeit erhalten blieb. Sie berichtet von den Versuchen, eine schwierige Gegenwart in etwas anderes zu verwandeln – und seien es Gedichte. Der Versuch, so die Botschaft, lohnt sich immer. Gerade jetzt sei es wichtig, von individuellem Widerstand und Hoffnung im Nahen Osten zu erzählen, „wo so viele Menschen es immer noch schaffen, als Menschen miteinander solidarisch zu sein“, sagt die Regisseurin.
Diese Kritik erschien zuerst am 06.07.2023 auf: links-bewegt.de