Die Monetarisierung von Allgemeingut ist das Lebensthema der Filmemacherin Leslie Franke und ihres Kollegen Herdolor Lorenz. Hatten sie sich zuvor bereits die Wasserversorgung („Water Makes Money“, D 2010) und das Gesundheitswesen („Der marktgerechte Patient“, D 2018) vorgenommen, blicken sie mit ihrem neuen Werk „Sold City“ drei Stunden lang auf die Wohnungsmärkte. Wobei sie schon bei dem Begriff einhaken: Ein „Markt“ war das Wohnen lange eher nicht. Große Teile des Sektors wirtschafteten viele Jahre gemeinnützig – ein Grundprinzip, das die Linke in der Wohnungspolitik wieder einführen will. So waren Mieten gedeckelt und die Einnahmen mussten umgehend in den Bestand und Ausbau reinvestiert werden.
Mit der Aufhebung der Gemeinnützigkeit Ende der 1980er Jahre, der Lösung von Sozialbindungen und dem Verkauf großer Wohnraumbestände wurde aus der Vermietung von Wohnraum ein profitabler Geschäftszweig. Wohnen wurde Geldanlage. Jedenfalls für die Wohnraumbesitzenden. Mit Vonovia und Deutsche Wohnen entstanden in den letzten Jahren Konzerne mit Hunderttausenden Wohnungen im Bestand, die renditeorientiert bewirtschaftet werden. Die Filmemacher beleuchten Betriebsstrukturen und Geschäftsinteressen und lassen Unternehmenssprecher zu Wort kommen. Aber auch Aktivisten der Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“ machen ihre Position deutlich, Mieter berichten aus dem Alltag, ebenso wie Mitarbeiter der Mietervereine. Der Stadtsoziologe Andrej Holm sorgt für die sozialpolitische Einordnung.
Ein weiterer Schauplatz neben Berlin ist Hamburg, wo die Linke-Politikerin Heike Sudmann den Kampf um das sogenannte Holsten-Areal erläutert: Ein gewinnträchtiges Spekulationsobjekt, das auch auf ein weiteres Problem hinweist: die ständig steigenden Preise für Bauland in den Städten.
„Sold City“ stellt eine immense Menge an Informationen und Impressionen zur Verfügung. Die Filmemacher sind nach London gereist, wo sich die Wohnungskrise wie in deutschen Städten immer weiter zuspitzt. Auch hier sprechen sie mit lokalen Initiativen und Mietern, die unter der schlimmen Situation leiden. Ebenso wichtig wie der dramatische Ist-Zustand sind ihnen aber auch positive Gegenbeispiele. Die bietet dann der zweite Teil von „Sold City“. Am Beispiel der Wohnungspolitik Wiens und Singapurs lassen Franke und Lorenz eine Ahnung aufkommen, wie es auch anders gehen kann. In Wien wurde der kommunale Wohnraum nie verkauft. Und wenn man sieht, wie die Mieter Singapurs in Wohntürmen mit Dachgärten leben, die Reisfeldern nachempfunden sind und auch im 11. Stock noch Platz für öffentliche Grünanlagen bieten, hat man eine Vorstellung davon, dass in der Stadt- und Wohnungspolitik vieles besser werden könnte.
„Sold City“ ist aufgrund seiner Länge und vielleicht auch wegen der Wucht seines Inhalts zweigeteilt. Ein immenses Werk mit Haltbarkeitsdatum, wie alles von diesem Regie-Duo. Der Film wurde zum Teil aus Spenden finanziert, Gewerkschaften und andere Verbände gehören zu den Förderern. Mag der Film auch vordergründig keine ganz so spektakulären Bilder bieten, ist er doch ein soziales Kunstwerk: Solche Projekte hätten eigentliche Goldene Palmen oder Bären verdient.
Diese Kritik erschien zuerst am 04.06.2024 auf: links-bewegt.de