Bei einem Bewerbungsgespräch ist Paul (Carlo Ljubek) ausgerastet. Er hat eine Panikattacke erlitten und sich eingesperrt. Jetzt ist seine alarmierte Frau Nadine (Aenne Schwarz) auf dem Weg zu ihm. Die Kamera folgt ihr aus nächster Nähe, nimmt ihre bestimmte, beharrliche Art in den Blick. Gegenüber dem beunruhigten, aufgeregten Personal sagt sie: „Mein Mann ist wie ich.“ Behutsam und verständnisvoll nähert sie sich dann dem Verstörten. Einfühlsam und zärtlich beruhigt sie sein aufgeschrecktes Gemüt. Paul ist jetzt ein Stier, der sanft gestreichelt wird. Kurz darauf verwandelt er sich in einen kleinen, schutzbedürftigen Jungen und in einen Jugendlichen, der sich für sein Verhalten entschuldigt und um eine zweite Chance bittet. Manchmal ist er auch eine ältere, mütterlich tröstende Frau. Unter den subjektiven Blicken von Nadine wechselt Paul seine Gesichter, Körper und sozialen Rollen. Gemäß dem Titel „Alle die du bist“ spaltet und entfaltet sich in der Konzeption von Michael Fetter Nathanskys magisch-realistischem Film Pauls Identität immer wieder neu.
Dabei ist der Beginn ihrer Liebe und Vertrautheit eher holprig und distanziert. Auf der Suche nach Arbeit kommt die alleinerziehende Mutter aus Hamburg ins rheinische Braunkohlerevier. Fabriken und rauchende Schlote bestimmen die graue, farblose Szenerie. In deren Mittelpunkt steht eine vom Leben enttäuschte, depressiv wirkende Frau, die sich zunächst verschlossen, schweigsam und unzugänglich gibt und die auf Avancen aggressiv reagiert. Als Mechatronikerin von Bergbaumaschinen wächst sie allerdings in die Verantwortung eines vom Strukturwandel bedrohten Betriebs; und sie lernt Paul allmählich kennen und lieben. Als selbstbewusste Anführerin im beginnenden Arbeitskampf hält sie die Kollegenschaft zusammen. Im Verbund mit dem liebenden und fürsorglichen Paul bildet sie ein starkes Paar. Doch immer häufiger kommt es zwischen ihnen zu Empfindlichkeiten und absurden Streitereien, unter denen auch die beiden Kinder leiden und die man nicht immer versteht. Nadine blickt auf Paul und seine Gestalten und fragt: „Warum liebe ich dich nicht mehr?“ Und sie ergänzt noch: „Ich will, weiß aber nicht wie.“
Michael Fetter Nathansky zeigt diesen nicht ungewöhnlichen, aber teils irritierenden Prozess zwischenmenschlicher Entfremdung als relativ statische Gefühls- und Liebeskrise zwischen Depression und zärtlicher Zugewandtheit. Außerdem spiegelt er die Zweifel seiner Protagonistin, ihre Ängste und Sehnsüchte, in ihrem erschöpfenden Kampf um den Erhalt bedrohter Arbeitsplätze. Dabei verbindet sich die sozialrealistische Zeichnung des Arbeitermilieus, charakterisiert durch (handgreifliche) Konflikte und den solidarischen Zusammenhalt innerhalb der Gruppe, mit einer sehr ambivalenten, von Widersprüchen gekennzeichneten Liebesgeschichte. Daraus entsteht ein betont körperliches, melodramatisches Kino der Gefühle. Dieses ist in seinen quälenden Momenten eines ausufernden Hin und Her emotionaler Ausnahmezustände nicht immer leicht auszuhalten. Aber wenn sich vertraute Menschen plötzlich oder vielmehr allmählich fremd werden, versagt mitunter die Vernunft; was durch etliche, gefühlsmäßig überspannte Kommunikationssituationen an Anschaulichkeit gewinnt. Der Prozess der Wandlung wird außerdem durch fast unmerkliche, durch ein verändertes Bildformat markierte Rückblenden gezeigt. So erscheint das Ende wie ein Anfang: bedrückend eng und zugleich offen für Neues.