Die Schule ist abgelegen, es ist Winter: Im Internat im anatolischen Bergland unterrichten türkische Lehrer kurdische Schüler, die durch besondere Leistungen aufgefallen sind, es herrschen äußerst rigide Regeln. Jetzt das: Die Jungen haben sich beim Waschen gestritten, daraufhin dürfen sie nur eiskaltes Wasser benutzen. Der zarte Memo spürt, wie er krank wird, er friert. Der 12-Jährige bittet seinen Freund Yusuf, mit bei ihm im Bett schlafen zu dürfen. Yusuf traut sich nicht, es könnte gefährliches Gerede geben. Am nächsten Tag geht es Memo schlecht, er muss dem Unterricht fernbleiben. Die Heizung fällt aus, Memos Fieber steigt, bald ist er nicht mehr ansprechbar. Die Lehrer schieben sich gegenseitig die Schuld zu.
Der Fall macht das Schulsystem offenbar. Niemand kümmert sich um die Nöte der Jungen, die Lehrer sind frustrierte Typen, sie hassen es, hier ohne Anbindung im Hinterland zu arbeiten. Es herrscht Drill – und politisch bedingter Druck: Kurdistan gibt es in dieser Schule nicht, das heißt Ostanatolien. Das Internat ist auch eine Umerziehungsanstalt.
Als die Schulleitung erkennt, wie brisant Memos Erkrankung werden könnte, zeigen sich die Mängel der Infrastruktur, bedingt durch eigene Willkür: Der Schulbus ist in Küchendingen unterwegs, es muss Käse für den Direktor besorgt werden. Das einzige Internatsauto ist aus Schlamperei sowieso nicht fahrtüchtig. Bald liegt Memo im Koma, keiner hilft… Die Schule – ein Systemfehler.
Regisseur Ferit Karahan verarbeitet im gemeinsam mit Gülistan Acet geschriebenen Drehbuch seine eigenen Erfahrungen als Kind in ähnlichen Schulen. Einerseits eröffnen diese die Möglichkeit der Bildung, andererseits dominiert rigider Nationalismus den Unterricht. Es herrscht Beklemmung. „Angst ist das Hauptthema“, sagt Karahan, „mit dem ich mich in meinen Filmen beschäftige“. Beziehungen unter solchen Bedingungen seien über die Maßen brüchig; um zu überleben, seien die Menschen täglich gezwungen zu lügen. Gefühle, Gesundheit und Sicherheit der Schüler spielen hier nicht die größte Rolle. Karahans Film ist ein Nachrichtenkanal aus der Welt autoritärer Erziehung.
Diese Kritik erschien zuerst am 19.07.2023 auf: links-bewegt.de