Insidious: The Red Door

(USA/CA 2023; Regie: Patrick Wilson)

Erinnert euch! Findet euch! Schreckt euch!

Dieser Kinosommer ist mit Abschieden gepflastert: Indiana Jones tritt ab, Ethan Hunt beginnt seinen Sechsstundenabgang, das DC-Universum wird demnächst rebootet, und ob sich nach dem diesjährigen Eberhoferkrimi noch ein zehnter ausgehen wird, oder ob auch dieses Universum zum Rebooting muss, das weiß nur die Inflation.

Auch das „Insidious“-Horror-Franchise sagt zum Abschied leise Servus. Viele wussten ja vielleicht gar nicht, dass es überhaupt noch da war; ist doch „Insidious: The Red Door“ nun der späte Nachklapp zu den vier Filmen der von 2011 bis 2018 höchst erfolgreichen Spuk-Schocker-Reihe. Zwischenzeitlich hatte die Gruselkinoschmiede Blumhouse in Erwägung gezogen, einen Mashup zweier Zehnerjahre-Horror- nun ja: Universen anzupeilen, nämlich zwischen den „Insidious“- und „Sinister“-Reihen (letzteres war die mit den rituellen Familien-Suiziden auf alten Homemovies) unter dem Titel „Insinister“. (Vielleicht hätten ja noch die Fusionstitel „Insister“, „Sinidious“, „Sinnlous“ oder „Insiderwitzious“ zur Auswahl gestanden. Aber die wirklich durchschlagenden Film-Kernfusionstitel schreibt ohnehin der folgsame Nachvollzug halblustiger Marketing-Ideen durch den Meme-Betrieb, und insofern hätte es ja „Insidenheimer“ heißen müssen, um wirklich bruhahadasglaubstdunicht.) (Oder „Geröllheimer“, wie der alte GenX-Witz sagt.)

Zurück aber zu „Insidious 5“, der – viel einfallsreicher als ein bloßer Nummerzusatz – „Insidious: The Red Door“ titelt. Weil im Film nämlich eine Tür, und die ist… genau. Portal, ganz normal, zwischen den Welten, da musst du durch. Wobei die markenzeichenhaft düstere, in den Schwarztönen und Kamerafahrten so markante Inszenierung von unheimlichen Wohn-Innenräumen in den frühen Beiträgen dieses Franchise nun einem Fokus auf den endlos aufgeblähten Innenraum der mittelständischen Normpsyche gewichen ist, und letztere leidet derzeit rundum medial besonders einprägsam. Der „Insidious“-Nachklapp-Film hält also Rückschau auf spukende Familienseelenqual: was bisher geschah, quasi. Und so wird manch alte Szene neu bespielt, umperspektiviert (meta, Oida!). Dazu setzt es viel Drama – laut Plot-Prämisse durch Amnesie-Hypnose bewirkt – um das Problem, ob man sich eh noch erinnern kann: an all die hier aufgewärmten großen Momente eines mittleren Horror-Franchise, an all seine Jumpscares und Visionen, an Tiny Tims „Tiptoe Through the Tulips“, eiernd auf einem Kinder-Plattenspieler, an Dads wutrasende Besessenheit, die immer schon aussah wie ganz normale Männergewalt im gemeinsamen Haushalt (damals hieß so was noch „Beziehungsdrama“ oder „Familientragödie“), und an seine Problembeziehung zum Sohn (Ty Simpkins, Jahrgang 2001, wuchs mit dieser Rolle auf wie Putzi Lutz). (Diesen Putzi-Witz verstehen nur Leute, die mit der seit 1999 im österreichischen Reklamefernsehen eingesetzten und konstant gleich besetzten Familie Putz vom Möbelhaus XXXLutz vertraut sind, das für seinen Werbeauftritt in diesem Artikel 1 Million Schilling bezahlt hat. Danke. So macht Online-Filmkritik wieder Spaß.)

© Sony Pictures

Den Vater spielt wie immer Patrick Wilson, der ansonsten auch als Parapsychologiepatriarch im nach wie vor zugkräftigen „Conjuring“-Spukhorror-Universum fungiert; in „Insidious: The Black Window“ – Scherz! – führt er nun auch Regie, und da gelingen ihm einige Gustostückerl in Sachen wenig Licht (z. B. die Klaustro-Szene in der Computertomografie-Röhre) und Spielereien nach Art „Now you see it, now you don’t“. Echt fiese Kompositionen, wirklich gut. Und Lin Shaye, nunmehr 80, spielt wieder die Spiritistin und gibt lebensweisen Rat; ihr Anblick ist ein Repertoire-Motiv im neueren Horrorkino, eine Scream Queen – vielmehr: ein Gute-Gruselfee-Typus –, die erst mit Ende sechzig zum Dienst antrat (und also im Unterschied zu Jamie Lee Curtis immer schon betagt war und wohl noch länger als sie auf einen Nebenrollen-Oscar warten muss).

So viel Rückblick: Der fragile Sohn – er besucht nunmehr das College und kuriert dort seine Traumata in der scheuen Liebe zu einer toughen comic relief-Kommilitonin, sowie im Kunstunterricht: „Zeig mir beim Malen deine Dämonen!“ etc. –, er verkörpert in der Fiktion, was der Film uns als Publikum anmutet, nämlich ein wehmütiges Anknüpfen an Coming-of-Age-Erinnerungen. Ja, das waren noch Zeiten, damals – vor zehn Jahren! In der verklärenden Retrospektion scheint es, als hätten wir uns in den good old Zehnerjahren nur vor Filmen fürchten müssen. Als hätten viele, die heute selbst bald Eltern werden (Rose Byrne spielt hier auch wieder mit und streitet mit Patrick Wilson wie in einem Scheidungsdrama von Noah Baumbach, nur kürzer), sozusagen ihre glückliche Kindheit und Jugend mit der jährlichen Dosis „Insidious“ verbracht. Solch ein durcharbeitender Rückblick erfolgt hier in Form von Horror, der Horror erfolgt hier (wie in jedem gefühlt dritten Film heute) in Form eines Ringens um Heilung und mental health, und all dies erfolgt mit erstaunlichem Kassenerfolg in der weltweiten Performance. Das also bedeutet „Psychotherapie als Kassenleistung“.

Dieser Text erschien zuerst als nächtliche Vision und dann in gekürzter Fassung in der Wiener Stadtzeitung Falter.

Insidious: The Red Door
USA, Kanada 2023 - 107 min.
Regie: Patrick Wilson - Drehbuch: Scott Teems - Produktion: Jason Blum, Oren Peli, James Wan, Leigh Whannell - Bildgestaltung: Autumn Eakin - Montage: Michel Aller, Derek Ambrosi - Musik: Joseph Bishara - Verleih: Sony Pictures - Besetzung: Ty Simpkins, Patrick Wilson, Hiam Abbass, Sinclair Daniel, Andrew Astor
Kinostart (D): 06.07.2023

DVD-Starttermin (D): 04.01.2024

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt13405778/
Foto: © Sony Pictures