Fahrije wühlt in den Leichensäcken. Erneut sind die Überreste mehrerer Toter gefunden worden. Ob ihr Mann dieses Mal dabei ist? Seit Jahren wartet die Kosovarin, dass sie ein Lebenszeichen ihres Ehemanns erhält, und wenn nicht das, dann wenigstens eine gesicherte Nachricht über seinen Tod. Bis jetzt gilt er seit Kriegsende als vermisst.
Doch nicht die Vergangenheit steht im Zentrum von Blerta Bashollis Spielfilm „Hive“, sondern die Gegenwart und Zukunft von Farije. Sie muss sich mit den Widrigkeiten einer erzkonservativen Umgebung herumschlagen, finanziert sich zunächst mit dem Verkauf von Bienenhonig, der sich aber wenig rentiert. Mit ihrem Nachbarinnen-Kollektiv – der Titel „Hive“, englisch Schwarm, unterstützt die Analogie – steigt sie um auf die Ajvar-Produktion. Die Paprikapaste soll dafür sorgen, dass sie alle ihr Auskommen finden. Aber erst mal den Führerschein machen!
Bald gründen die Frauen unter Fahrijes Ägide eine Genossenschaft, wobei ihr besonderes Verhandlungsgeschick und die Kochkünste der anderen von Vorteil sind. Das Zeug schmeckt lecker, und das spricht sich herum. Da kann die Dorf-, die eher eine Hassgemeinschaft ist, noch so intrigieren und das Projekt schlechtreden, der Erfolg macht sich bald bemerkbar.
Filme aus dem Kosovo sind extrem selten, noch seltener landen sie in deutschen Kinos. Blerta Basholli ist selbst im Kosovo geboren und aufgewachsen, flüchtete mit 16 Jahren nach Deutschland. 2011 kehrte sie dann zurück. Auf der Suche nach Stoff für ihren ersten Spielfilm wurde sie schnell fündig. Er ist von der wahren Lebensgeschichte der Fahrije Hotis inspiriert. Wie die Film-Fahrije hatte die Kosovo-Albanerin, die sich heute für Frauenrechte engagiert, ihren Mann vermisst gemeldet. Über zwei Jahrzehnte nach Kämpfen im Jahr 1998 ist der Status von rund 1.600 Personen immer noch ungeklärt.
Alsbald avancierte Hoti zur erfolgreichen Unternehmerin, in deren Betrieb hauptsächlich Frauen bzw. Witwen der Ajvar-Produktion nachgehen. Achtung, sitzen bleiben: Im Abspann gibt es Impressionen von der echten Genossenschaft. „Hive“ – ein rührendes Filmwerk, ein Plädoyer fürs solidarische Wirtschaften, das auf den Festivals die Preise abräumt.
Diese Kritik erschien zuerst am 08.09.2022 auf: links-bewegt.de