Die Hoffnung auf eine politische Zeitenwende zu Beginn eines neuen Jahrzehnts verbindet sich mit der Wahl des Sozialisten François Mitterand zum französischen Staatspräsidenten. Der allgemeine Jubel im Mai des Jahres 1981, aufgenommen in hektischen Schwarzweißbildern, ist also groß, auch wenn nicht alle Anteil daran nehmen. Doch kurz darauf stirbt Bob Marley, und das ist zumindest für das ungleiche, aber musikverrückte Brüderpaar Jérôme und Philippe Bichon ein „böses Omen“. In ihrem Heimatort irgendwo in der französischen Provinz betreiben die beiden einen Piratensender, den sie in Anspielung auf einen früheren Namen ihrer Lieblingsband Joy Division „Radio Warsaw“ nennen. Vor allem der eloquente, rebellische Jérôme (Joseph Olivennes), der die unkonventionellen Programme sehr persönlich moderiert, identifiziert sich stark mit seinen popmusikalischen Helden der Postpunk-Ära, zu denen neben Ian Curtis auch Iggy Pop, die Band Caméra Silens oder auch Gang of Four gehören.
Dagegen bezeichnet sich der etwas jüngere, eher zurückhaltendere und introvertierte Philippe (Thimotée Robart) selbst als „Typ an den Reglern“. Der geschickte Techniker bastelt gerne im Handumdrehen experimentelle Bandschlaufen, interessiert sich weniger für Politik und ist heimlich in Jérômes Freundin Marianne (Marie Colomb) verliebt, eine junge Mutter, die in einem Friseursalon jobbt. Die Brüder wiederum arbeiten in der Autowerkstatt ihre Vaters (Philippe Frécon), der von seiner Frau verlassen wurde. Der aufsässige Jérôme, von einem unbändigen Freiheitsdrang beseelt, liegt mit ihm im Dauerclinch. Als Philippe nach unfreiwillig „erfolgreicher“ Musterung seinen Militärdienst in West-Berlin antreten muss, gewinnen die Beziehungen eine neue Dynamik und die Konflikte spitzen sich zu. Während Philippe, der durch die Vermittlung seines neu gewonnenen Freundes Édouard (Antoine Pelletier) bei einem britischen Sender arbeitet kann, selbstbewusster wird und wächst, stürzt sein Bruder in den beengten Verhältnissen ab.
Vincent Maël Cardona hat seinen ersten Langfilm, der aus der Perspektive von Philippe als Audiobrief aus dem Off an seinen Bruder erzählt wird, in diesem Spannungsfeld zwischen Stillstand und Aufbruch angesiedelt. Denn auf die politische Hoffnung folgt bald die Ernüchterung am Ende der Utopien. Zwar kehren in den ziemlich nostalgischen Film nach seiner Exposition bald die Farben ein, doch bleiben diese eher düster. Innerhalb seines melancholischen Generationenportraits interessiert sich Cardona auch mehr für die sich verhalten und zögerlich entwickelnde Liebesgeschichte zwischen Marianne und Philippe, der sein kreativ gestaltetes, vom Song „Teenage Kicks“ der Undertones unterstütztes Liebesgeständnis über den Äther schickt. Man spürt in diesen Passagen eine große Faszination für die Poesie und Haptik der untergegangenen analogen Welt und ihrer ästhetischen Praxis. Und so wird das Festhalten an den Idealen der Kunst, die spielerisch Distanzen überwindet, zur eigentlichen Utopie gegen Enge und Perspektivlosigkeit.