Wenn der Zustand der Welt schon täglich erbärmlicher wird, dann muss sie wenigstens im Kino um so heftiger gerettet werden. Wie zum Beispiel in dem Film „Avengers: Endgame“. Dafür ist das große Popcornkino schließlich da: um uns das angenehme Gefühl zu geben, dass noch nicht alles verloren ist, um uns Mut zu machen.
Im vorigen Film der „Avengers“-Reihe („Avengers: Infinity War“) haben der schwer unsympathische Superbösewicht Thanos und seine Heerscharen der Finsternis erfolgreich dafür gesorgt, dass die Hälfte der Menschheit pulverisiert wurde: Zack! Seither ist das Dasein unserer überlebenden „Marvel“-Superhelden nicht mehr so prickelnd: Nicht wenige haben ihre engsten Angehörigen verloren, sind niedergeschlagen und haben außerdem jetzt viel Tagesfreizeit, die sie mit Unerquicklichem verbringen müssen wie z. B. Geschirrspülen.
Doch dann kommt die rettende Idee: Einfach per Zeitreise an den entscheidenden Stellen die Vergangenheit aufsuchen – möglichst unter Umgehung der bei Zeitreisen anfallenden Paradoxien -, und dem Superschurken die die Welt im Innersten zusammenhaltenden und in mildem Lavalampenlicht erstrahlenden Infinity-Steine, die er zur Weltzerstörung braucht, rechtzeitig abluchsen. Fertig!
Doch Vorsicht! Dem popkulturell und im „Marvel“-Kosmos Ungeschulten dürfte „Avengers: Endgame“ einigermaßen unübersichtlich vorkommen: Superheldinnen und -helden tauchen plötzlich auf und verschwinden wieder, weil sie gerade irgendwoanders im Weltall eine untergehende Zivilisation retten müssen, oder sie tauchen erst gegen Ende auf, weil sie bis dahin in unterschiedlichen Zeitlinien verschwunden waren. Aber das stört nicht, denn wesentlich ist ja etwas ganz Anderes: dass die Kostüme und Helme schick aussehen und eine gute Passform haben und dass der eine oder andere Witz funktioniert (Thor hat sich einen Pizza- und Bierbauch angefuttert, haha!)
„Avengers: Endgame“ soll der abschließende Film sein, der also, der die über 20 „Marvel“-Filme, die ihm vorausgingen, zu einem Ende führt, das, so ist stark zu vermuten, gleichzeitig ein neuer Anfang sein soll: Neue Prequels, Sequels, Spin-Offs und Filmserien werden wohl kommen, irgendwelche Next-Generation-Superheldinnen und -helden, so steht zu vermuten, denn das „Marvel“-Universum ist logischerweise wie das reale unendlich, und es ist ein gutes Geschäft. Neue Erzählbögen werden gespannt werden, und möglicherweise werden künftig sogar die eher langweiligen Helden des „DC“-Comic-Imperiums (Superman, gähn) mit den originelleren des „Marvel“-Universums in noch knallbunteren, lauteren und noch standardisierter daherkommenden Zackbummfilmen auftreten, denn es gelten die beiden unumstößlichen Gesetze „Mehr ist mehr“ und „Viel hilft viel“. Und alles wird auf die Weise fabriziert sein, die man von dem Comic-Unternehmen gewohnt ist, man kennt das alles ja schon aus den Filmen der vergangenen zehn Jahre: viel Lautstärke, viel Fanfarenklänge, viel Funkensprühen und der übliche Kitschgeigenscore bei herzergreifenden Szenen des Abschieds und Wiedersehens.
Und den selbstironischen Humor bitte immer in kleinen Dosen. Weltrettung geht schließlich vor. Oder besser gesagt: die Rettung dieses „unnachgiebigen, lästigen kleinen Planeten“, wie der Superschurke Thanos die Erde nennt.
Dieser Text erschien zuerst am 26.04.2019 in: Neues Deutschland