Stell dir vor, es sitzt eine bunte Runde beisammen, begafft Screens, betätigt Tastaturen und redet ununterbrochen, mal tiefsinnig, mal halblustig: So was kann ja durchaus ganz nett sein; etwa beim gemeinsamen Songcontest- oder Kanzler-Abwahl-Liveshow-Schauen. Weniger nett ist es allerdings, wenn du nicht Teil der Runde bist, sondern dir eine solche Runde, die sitzt und witzelt, tiefsinnt und tastet, als ein Anblick geboten wird, der vor dir auf der Kinoleinwand abläuft, in 3D, dazu jeder Sager in Sensurround-Böllersound.
Das aber ist der Primärinhalt von „Godzilla 2: King of the Monsters“. Hier findet Franchise-Echspansion mit zu viel an Handlung und Kommunikation statt: Hier ist zu viel Entführungsstory, zu viel Redewettbewerb im Control Center (Hey, ist schon wieder 1998? Sind wir im Kontrollraum von „Armageddon“?); spezifischer ist hier das Übermaß an Softwareeinsatz beim Speed-Dating mit Urzeitwesen, von denen manche uns Menschen so wohlgesinnt sind wie einst Flipper, der kluge Delfin, oder Balu, der auch nicht ganz blöde Bär. Und welche Wesen wesentlich gut sind, welche hingegen böse, und auch auf der Menschenwesenseite – wer ist bös und tut nur lieb und vice versa? –, das will alles herausgefunden sein. Reden wir drüber! Das kriegt Tiefgang, macht den Film lang und das Ticket teurer. Es sprechen unter anderen Vera Famiga, Ken Watanabe, Millie Bobby Brown und Bradley Whitford. Kyle Chandler – schon aus dem 2005er „King Kong“ und aus „Super 8“ im Monster-Management bewährt – schaut sehr oft sehr verkniffen.
Der Auftakt-„Godzilla“ hatte 2014 die Latte hoch gelegt: Das war ein Traum, ein Sleepwalk, von einem Actionfilm, bei dem Gareth Edwards Inszenierung auf Blackouts, Nicht-Handlungen und minimalistische Akzente setzte. Im neuen Film aber ist Plot Gott. Dessen Regisseur Michael Dougherty greift aus seinen Horrorkomödien „Trick or Treat“ (eh okay) und „Krampus“ (sehr okay) leider nicht die Habitussatire auf, sondern den Hang zum Ritual – sprich: erst Halloween, dann Weihnachten, nun Godzilla-Vergötzung. Da ist Gojira schierer Gott und Mythos gilt als purer Sinngarant. Ab nach Atlantis, heim ins Tierreich: Dieser Film spitzt wortgewaltig eine ethische Alternative zu: entweder restoring order ohne Menschen oder restoring order mit Menschen (und kleinbürgerliche Kern-Family-Values). Etwas anderes als Königsnatur-Faschismus scheint es alles in allem nicht zu geben. (Solche Ursprünglichkeits-Anbetungen spotten der demokratischen Initiative all der jungen Leute, die an Freitagen und auch sonst gegen die Politik fortgsetzter Erdröstung demonstrieren und in Wien dabei von der Polizei mit der Nierenfaust sonderbehandelt werden.)
Aber gut, der Fan will sich verneigen, und ein Film muss offenbar ein Altar sein. Gut muss er nicht sein, es muss nur alles vorkommen, was dem Fan heilig ist. Der Fan ist meist männlich; normale Leute interessieren sich für so was eher nicht, die sehen lieber manchmal einen guten Film. Leider macht die Unterhaltungsindustrie immer wieder den Fan zum „kategorischen Subjekt“ ihrer Produkte; sie baut, zeigt, vermarktet alles aus dessen Optik. Dabei könnte sie es besser, etwa auch im Kong von 2017 (da war der Titelheld weniger King als grumpy old Sozialstaat, deshalb auch „Skull Island“).
Letztlich geht’s in „Godzilla – König der Herzen und Monster“ aber eh um profane Projekte, vor allem um Monsterverse-Inventur und wechselseitigen Skills-Abgleich. Ab und zu hat der Titelverteidiger, nun recht oft in Cameron’schem Abyss-Blau illuminiert, Zores mit Neuzugängen; einer davon hat drei Köpfe, alle haben pittoreske Namen und sehen durchaus trendy aus. Es ist aber bei all den Schaukämpfen stets mehr als ein Hauch von Autoquartett, Hubraum-Contest, zu spüren: Mein Opel bzw. Pokémon kann fliegen – dafür kann meiner blaue Strahlen speien – ja, aber meiner rot glühen. Boston birst am besten. Watanabe macht – erschöpft, nachdem er am zweitmeisten gesprochen hat – den atomaren Abgang, eine nicht unrührende Anspielung auf die Hiroshima-Vätersünden-Allegorik des japanischen 1954er Erst-„Godzilla“. Aus diesem alten Film wird im Score auch das Musikthema zitiert (am meisten im Abspann). Das ist eh schön. Irgendwann sagt jemand en passant „You gotta be fucking kidding“, das ist aus „The Thing“. Dem von 1982, Carpenter, eh klar. Fan, das sind wir ja alle. 2020 gibt´s dann Godzilla versus Gorilla.