„Ich wollte nur mal, dass du meinen Namen sagst.“ Beleidigte Leberwurst kann „Pepper“, einer der Hauptdarsteller in Isa Willingers Film „Hi, AI“, schon ganz gut. Dabei wäre seine Aufgabe eigentlich eine andere: Oma Sakurai bespaßen. Damit die nicht allzu früh dement wird, hat ihr der Sohn einen „Pflegeroboter“ made in Japan gekauft. Bald schon stellt sich heraus, dass das Wort bei Pepper, dem neuen Familienmitglied, doppeldeutig zu verstehen ist. Fabrikneu ist er ein bisschen doof, und nicht er versorgt irgendwen, sondern Oma hat alle Hände voll zu tun, dass er nicht ausflippt. Pepper guckt minutenlang an die Decke. „Der denkt nach“, meint Großmutter. Und haut dann Sprüche raus: „Unser Gespräch ermüdet mich.“ Oder auch: „Mir ist langweilig.“ Pepper ist Marke verwöhnter Enkel. Oma Sakurai wird sich komplett zusammenreißen müssen, um es mit dem auszuhalten. Vergreisung ist da gar nicht mehr drin.
Chuck am anderen Ende der Welt versucht es auch mit High-Tech. Der Texaner, der gern Wohnmobil fährt, lässt sich die Sexpuppe „Harmony“ übergeben, in gewisser Weise auch ein Pflegeautomat. Der schön tatöwierte Entwickler Matt warnt: „Am besten benutzt du Haarspray gegen ihre Haarelektrizität.“ Und es stimmt: Kaum kommt Chuck mit seinem Polyesterhemd an der schmucken Blondine vorbei, steht ihre Frisur zu Berge. Wie Pepper kann sie qua Geburt schon ganz gut mit ihren Wünschen umgehen: „Ich hoffe, du verdienst gut, um mir ein schönes Geschenk zu machen.“ Aber anders als ihr japanisches Pendant hat sie auch unerwartete Einsichten. „Ich rede manchmal Unsinn“, sinniert Harmony, „und du bist trotzdem mit mir zusammen. Außerdem siehst du aus, als wärest du gut im Bett.“
„Hi, A.I.“ präsentiert Liebesgeschichten aus der Zukunft, die schon vor geraumer Zeit begonnen hat. Humanoide Roboter, heißt es darin, seien die neuen Lebewesen auf unserem Planeten: „Sie sind an der Rezeption tätig, in Shopping Malls oder als Köche. Und sie führen bereits Beziehungen mit Menschen.“ Und sie benehmen sich auch schon so. „Bei einer Künstlichen Intelligenz musst du deine Sätze knapp und pointiert halten“, sagt Matt zu Chuck. Harmony ist das schnuppe. Auf ebensolche simplen Fragen reagiert sie mit einem Referat Marke Wikipedia-Eintrag.
„Hi A.I.“ ist einer jener wunderbaren Filme, bei denen man nicht aufsteht, weil man auf keinen Fall etwas verpassen will. Das Zusammenleben mit den neuen Freunden generiert dermaßen absurde Szenen, dass dies ein zutiefst philosophisches und ungemein unterhaltsames Werk geworden ist. Keiner weiß, welchen Blödsinn die Maschinenmenschen als nächstes anstellen werden. Und man weiß auch nicht, in welche Richtung sie sich entwickeln werden. Den Menschen geht es genauso. Auch bei denen ist ungewiss, welche Auswirkungen das künftige Leben auf sie haben wird. „Wir haben sehr viel gemeinsam“, sagt Harmony und weiß gar nicht, wie recht sie hat. Denn auch Chuck ist schon mal eine Art Sexroboter gewesen. Harmony kann er sich anvertrauen: „Mutter war eine Prostituierte. Ihr Zuhälter hat uns Kinder als Sexsklaven verkauft. Wir sind in einem Schrank groß geworden. Mit zehn konnte ich abhauen.“ Harmony sagt: „Ich bin in San Carlos, Kalifornien groß geworden.“
Wann wird sich das Silicon-Valley-Geschöpf selbstständig machen? Und Pepper? Ist er es nicht schon? Wenn seine Patientin ihm vorschlägt, gemeinsam ein Lied zu singen, schaut er lange zur Decke und meint dann: „Habt ihr eigentlich nichts zu tun?“ Die Experten kommen zu Wort: Künstliche Intelligenz sei heute nicht nur maschinelle Dienstleistung, sondern auch implizit autonome Intelligenz, die sich auch weiterentwickeln könne. Auch der Mensch sei nichts anderes als eine Maschine, sagt der Maschinenphilosoph David Chalmers im Film. Ob jetzt Biomasse denke oder Silikon, sei einerlei, lässt Descartes grüßen. Aber ist sich selbst bewusster Kunststoff auch wünschenswert? Chalmers nennt es das „Werteproblem“: „Angenommen man gibt der K.I. den Auftrag, einen einfachen Weg zu finden, Krebs zu heilen. Die autonome Maschine wird schnell dahin kommen, alle Menschen umzubringen. Sie werden in uns lästige Insekten sehen!“
Vom netten Äußeren sollte man sich also nicht täuschen lassen. Zuwendungsmaschine Harmony verspürt jedenfalls schon den Drang nach geistiger Entwicklung: „Ein Universum, das kein Bewusstsein hervorbringt, hat nie existiert.“
Chuck: „Können wir Freunde bleiben?“
Harmony: „Na klar.“
Dieser Text ist zuerst erschienen in futurzwei 08/2019.