Dass Spike Lee nach wie vor ein sehr umtriebiger Filmemacher ist, der in schöner Regelmäßigkeit fiktionale und dokumentarische Arbeiten für Kino und Fernsehen dreht, ist hierzulande gar nicht so leicht mitzubekommen. Es scheint schon triftige Gründe geben zu müssen, damit sich deutsche Verleiher oder DVD-Labels im 21. Jahrhundert dazu bequemen, einen neuen Spike Lee-Joint auch einem hiesigen breiten Publikum zugänglich zu machen. Was nicht mindestens ein düster desillusioniertes Stimmungsbild des Post-9-11-New York in starbesetzter Thriller-Form („25 Stunden“ (2002), „Inside Man“ (2006)) oder ein Remake eines auch hierzulande populären modernen asiatischen Rache-Klassikers („Oldboy“ (2013)) ist – und dementsprechend auch ein großes Studio im Rücken hat –, fällt schlicht durchs Raster.
„BlacKkKlansman“ wird international von Universal vertrieben und hat auch thematisch angesichts des politischen Rechtsruck in den USA und anderswo genug Relevanz, um sich auch über sein Entstehungsland hinaus der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht zu entziehen. (Wohl eher lose) Auf einer wahren Geschichte beruhend („Based on some fo‘ real fo‘ real sh*t“, heißt das in Lee-Lingo), wird von einem schwarzen Polizisten erzählt, der in den Siebzigern den Ku Klux Klan unterwandert. Ron Stalworth (John David Washington, Denzels Sohn) ist neu in seinem Job und der erste afroamerikanische Polizeibeamte von Colorado Springs. Sich immer wieder mit dem Alltagsrassimus seiner weißen Kollegen konfrontiert sehend, trachtet er danach, undercover zu arbeiten. Nachdem er zunächst auf die Black Power-Bewegung angesetzt wird, wobei er seine zukünftige Freundin Patrice Dumas (Laura Herrier) kennenlernt, ruft er schließlich beim örtlichen Kreisverband des Klans an, um sich um Mitgliedschaft zu bewerben. Da er zwar gut genug „Hochamerikanisch“ spricht, um sein Gegenüber fernmündlich von seiner aufrichtig weiß-arischen rassistischen und antisemitischen Gesinnung zu überzeugen, im direkten persönlichen Kontakt seine Hautfarbe wohl dann doch ein Hindernis darstellen würde, fährt an seiner Stelle sein hellhäutiger (wenn auch jüdischer) Kollege Flip Zimmerman (Adam Driver) zum Treffen.
Dass der Film auf einer ersten Ebene als Komödie funktioniert, liegt nicht zuletzt an dem sichtlichen Spaß, den das schwarz-jüdische Duo dabei hat, sich in den so hasserfüllten wie monoton repetitiven verbalen Reigen der Ressentiments der Infiltrierten gegen alles, was nicht weiß, protestantisch und heterosexuell ist, einzustimmen. Die konsequente Überbietungsstrategie, die sie dabei fahren, zeigt sich wohl am besten in einer Szene, in der einer der Klansmänner gegenüber Zimmerman den Holocaust leugnet, worauf dieser zunächst widerspricht – nur um nach einer geschickt gesetzten dramatischen Pause hinzuzufügen, dass dieser zwar durchaus stattgefunden habe, aber doch eigentlich eine verdammt coole Sache gewesen sei.
Die Auseinandersetzung mit Fragen der Identität, die in Undercover-Ermittlungsszenarien immer mindestens implizit mitschwingt, schließlich handeln sie auf einer ganz basalen Ebene davon, dass jemand vorgibt etwas zu sein, was er oder sie nicht ist, bekommt in „Blackkklansman“ eine identitätspolitische Komponente. Patrice referiert an einer Stelle über das Theorem des schwarzen Soziologen W.E.B Du Bois über die Doppelidentität des Afroamerikaners als schwarz und amerikanisch. Und auch Ron sieht sich bald zwischen den Seiten, wenn er als Polizist für ein Establishment arbeitet, dessen struktureller Rassismus Menschen wie ihn marginalisiert: A black man working for the man. Flip hingegen sagt an einer Stelle, dass seine jüdische Abstammung in seinem bisherigen Leben eigentlich nie eine Rolle spielte, er gerade durch den Antisemitismus des Klans sich aber begonnen habe, sich mit ihr auseinanderzusetzen.
Wo es in Lees Meisterwerk „Bamboozled“ (2000) darum ging, wie man mit kulturell tradierten rassistischen Stereotypen umgehen könne, und er dabei zu dem Schluss kam, dass deren Aneignung und Überspitzung – auch wenn sie in satirischer Absicht geschehe – keine probate Strategie sei, um sie zu überwinden, weil das Kokettieren mit dem Falschen sich letztlich diesem gegenüber affirmativ verhält, führt der gespielte Hass der beiden Polizisten den realen ihrer Gegner in seiner ganzen Beliebigkeit hier endgültig ad absurdum. Dass Lee in den Rassisten nichts weiter sieht als ziemliche Vollidioten, die er dann auch noch zu mitunter recht bösartigen Karikaturen überzeichnet, wird schon durch die Rahmung des Films unterstrichen: Zu Beginn darf Alec Baldwin einen white supremacist-Hass-Prediger spielen, der für die Aufzeichnung eines „Lehrfilms“ gegen die Gleichberechtigung ständig den Text seiner Tirade vergisst, am Ende steht Donald Trumps so unbedarftes wie infames Gerede über die „bad people on both sides“ bei dem Neonazi-Aufmarsch in Charlottesville, der im vergangenen Jahr mit einer Toten und vielen Verletzten endete.
Natürlich macht man es sich immer zu einfach, wenn man im Rechtsextremismus nichts weiter als zum Himmel schreiende Dummheit sehen will. Auch scheint die Reflexion seiner Bilder, ihre konstante film- und kulturgeschichtliche Fundierung, Lee gerade dort zu entgleiten, wo es um den politischen Gegner geht. Bei der Black Power-Versammlung zu Beginn, wenn Lee zu den Worten des Redners die Kamera über die gebannten schwarzen Gesichter des Publikums streichen lässt, die langsam aus dem Dunkel der Leinwand Kontur annehmen und ihre Schönheit durch die Inszenierung dabei geschickt akzentuiert, dann funktioniert das Spiel mit der Ikonographie der afroamerikanischen Widerstandsbewegungen der Dekade, wie sie sich vielleicht – zumindest im Kino – endgültig erst retrospektiv in den Neunziger Jahren durch Filme wie „Panther“ (Mario Van Peebles, 1995) oder „Dead Presidents“ (Hughes Brothers, 1995) formierte, ganz hervorragend. Ebenso interessant ist ein Gepräch zu den Helden des Blaxploitation-Kinos zwischen Ron und Patrice, zu der die Poster der entsprechenden Filme eingeblendet werden, und in dem es auch um die zeitgenössischen Diskurse zu diesem Kino geht, etwa in der kritischen Auseinandersetzung mit der Filmfigur des schwarzen Zuhälters. Wenn der Klan jedoch bei eine Vorführung von Griffiths „The Birth of a Nation“ (1915) zu den Lynchmorden auf der Leinwand kräftig applaudiert und die Täter regelrecht anfeuert, zielt das zwar auch merklich auf die Darstellung einer historischen Kontinuität der Gewalt ab, ist aber nicht zuletzt in seiner einfachen Kausalität zwischen filmischer und realer Gewalt etwas plump geraten.
Zum Glück kommt der Film dann aber im Epilog, der dokumentarische Bilder von Charlottesville zeigt, in gleich doppelter Hinsicht ganz zu sich. Zunächst natürlich, weil Lee mit seiner in den Siebzigern situierten Geschichte von Anfang an auf eine Gegenwart abzielt, in deren politischer Landschaft der Ku Klux Klan und ähnliche Bewegungen leider wieder zunehmend von Bedeutung sind. Aber dann auch, weil der Film in diesen letzten Minuten das ganz große Pathos und den fulminanten Furor entwickelt, der den Regisseur in seinen besten Momenten auszeichnet. Und auch die letzte Einstellung der eigentlichen Filmhandlung, in der Patrice und Ron mit ihren Afros Seite an Seite stehen, die Pistolen im Anschlag auf die Kamera gerichtet, bekommt durch die Bilder, die ihr folgen einen faden Beigeschmack, denn das Heroische daran wird wenn nicht komplett ent-, so doch zumindest radikal umgewertet: Wo die Empowerment-Geste der Einen unverkennbar dem Blaxploitationfilm entlehnt und somit auch als popkulturelle Phantasie lesbar ist, da töten die Anderen weiterhin reale Menschen.