In den Fünfzigern war die Welt noch in Ordnung. Na gut, auch damals schon gab es Leute wie den Eisenbahntycoon Harry Foster Malone (Ernie Kovacs), der durch seine verbraucherunfreundliche Firmenpolitik dafür sorgt, dass die Hummerzüchterin Jane (Doris Day) eine Lieferung der noblen Schalentiere verliert, was diese sich nicht gefallen lassen will, weswegen sie mit Unterstützung ihres langjährigen Freundes George Denham (Jack Lemmon) einen Rechtsstreit beginnt. Am Ende gewinnt aber natürlich wie in der Bibel die Davids-Kleinunternehmerin gegen den Großkapitalisten-Goliath, der einerseits durch noch einen weiteren biblischen Bezug, den der Film in seinen Dialogen expliziert, nämlich dem zum Pharao, gleich mehrfach zu einem villain von alttestamentarischen Ausmaßen stilisiert wird. Andererseits ist der stolze Emporkömmling, der sich damit brüstet, es von einer Bruchbude an der Lower West Side bis an die Spitze eines Riesenkonzerns gebracht zu haben, mit seinen dicken Zigarren, seinem schwarzen Diener, der fürs Servieren der Speisen, die Rasur, aber auch die Massage seines Herren verantwortlich ist, eine solch obszöne Erscheinung, dass er auch gut und gerne bei Eisenstein vorkommen könnte. Nur ist in „It Happened to Jane“ dann nicht der Umsturz der kapitalistischen Ordnung durch das Proletariat die Konsequenz aus dem obszönen Reichtum von Menschen, die den ganzen Tag bedient werden und andere für sich arbeiten lassen (in seiner ersten Szene isst er Hummer, was verdeutlicht, dass auch Jane zu denjenigen gehört, die auf mittelbare Weise für Männer wie ihn arbeiten), sondern seine Kontrolle durch die „einfachen“ Leute einer bei allen Herausforderungen und Problemen meist gut gelaunten, fleißigen und hemdsärmelig anpackenden Mittelschicht, die das Geldsystem nur so weit in ihre Macht bringen und „zähmen“ muss, dass es wieder ganz ihren Interessen dient.
Wenn Hollywood für die Manufaktur kollektiver Träume verantwortlich zeichnet, dann ist es in einem Film wie diesem, der das geradezu dialektische Kunststück vollbringt, im höchsten Maße politisch und gleichzeitig ein absolut eskapistisches Märchen zu sein, überdeutlich, wer hier träumt – das weiße Mehrheitsamerika, das an Gott, Familie und einen humanen Kapitalismus, dessen bizarr gierige Auswüchse in Schach gehalten werden müssen von der Demokratie, die hier wörtlich verstanden werden darf als Herrschaft des Volkes (wobei der Begriff Volk, nicht anders als bei den „Wir sind das Volk“-brüllenden selbsternannten RetterInnen des Abendlands im Deutschland der Gegenwart, auch hier einer ist, der auf Ausgrenzung und Exklusion fußt – natürlich ist unter den Menschen in der kleinen Stadt, aus der Jane und George stammen, die in einer Szene kräftig mit anpacken für den Sieg der guten Sache, kein einziger – nur zum Beispiel – schwarz).
Die Blase, in die sich der Film durch seine soziale Perspektivierung begibt, ist denn auch definitiv eine filmgeschichtliche. Steht der Film 1959 doch zwischen dem Zynismus und der Abgründigkeit des klassischen Film Noir, die sich aus den Erfahrungen von Faschismus, Krieg und Exil speisten, und den Umbrüchen des „New Hollywood“, mit denen die amerikanische Filmindustrie auf den demographischen Wandel ebenso reagierte wie auf den wachsenden Einfluss der Bürgerrechtsbewegung und der im Angesicht des Vietnamkriegs sich formierenden Protestkultur. Beides scheint hier verdammt weit weg zu sein.
„It Happened to Jane“ ist in vielerlei Hinsicht ein totalitärer Film: Zunächst einmal, weil er wirklich restlos alles dem Bedürfnis seines Zielpublikums, auf der richtigen Seite zu stehen, unterordnet. Begonnen bei der Tatsache, dass Georges Mitbewerber um Janes amouröse Gunst, der New Yorker Reporter Larry (Steve Forrest, ein Intellektueller aus der großen Stadt, der sich zu allem Überfluss auch noch Jane gegenüber mit seinen reichhaltigen erotischen Erfahrungen brüstet, also auch noch liberal, ach was, libertinär ist? Geht natürlich gar nicht!) bis zum Motiv der Eisenbahn, die in der Mythologie insbesondere des Westerns eng mit der Nutzbarmachung und „Zivilisierung“ des Landes verbunden ist, und hier also wieder von dem (Klein-)Bürgertum aus mittelständischen Unternehmern und Anwälten zurückerobert werden muss. Letzteres gilt auch für die Medien, die für Jane, die mit ihrem Anliegen zunächst die Talkshows, sodann die Herzen des Fernsehpublikums erobert, wichtige Gehilfen bei der Durchsetzung ihres Anliegens sind. Schließlich die Tatsache, dass eine Frau, auch wenn sie augenscheinlich so gut alleine zurechtkommt wie Jane, dann eben doch einen Mann braucht, damit sie wieder eine „richtige“ Familie hat.
Es mag anhand meiner bisherigen Ausführungen etwas verwundern, aber ich mochte diesen Film ziemlich gerne. Natürlich ist die Art, wie er seine reaktionären Botschaften als pure Menschenfreundlichkeit verkauft, nicht nur deshalb problematisch, weil eben ganz offensichtlich nicht alle Menschen gemeint sind, sondern nur eine ethnische und soziale Gruppe eines bestimmten Landes. Als ziemlich unordentlicher Mensch bewundere ich aber immer die Ordnung, die in solchen Filmen herrscht, in denen alles, jede Figur und jedes Detail, am rechten Platz ist, eine klar formulierte (vielleicht nicht nur, aber zumindest auch ideologische) Funktion zu erfüllen hat. In Hollywood verstand man es übrigens, über alle historischen Umwälzungen und auch Genrezusammenhänge hinweg solche Filme zu drehen. Wer sich etwa John McTiernans meisterlichen Action-Gamechanger „Stirb langsam“ (1988) unter diesen Gesichtspunkten ansehen möchte, versteht vielleicht, was ich meine. Oder anders ausgedrückt: Es fasziniert mich gerade am Kino, dass es manchmal in der Lage ist, mich Träume träumen zu lassen, die eigentlich ganz und gar nicht die meinen sind.
Winkler Film bietet den Film, der übrigens die einzige gemeinsame Zusammenarbeit seiner beiden Stars darstellt, seit November 2017 in einer leider recht schmucklosen Edition als DVD und Blu-ray an.