Der Maus ist die Welt zu groß, sie klagt ihr Leid ausgerechnet der Katze: In der Welt des Schriftstellers Franz Kafka landen die Protagonisten oft an der falschen Adresse. Das literarische Werk des Ausnahmekünstlers ist nicht immer leicht zugänglich, seine Fabeln wie die von der Maus aber von frappierender Einfachheit. An den Anfang ihres Spielfilm-Porträts „Die Herrlichkeit des Lebens“ haben die Regisseure Georg Maas und Judith Kaufmann eine Szene gesetzt, in der Kafka, gespielt von Sabin Tambrea, die Mausgeschichte vorliest. Da weiß man gleich, wo man dran ist.
Allzu gern bezieht man die Fabel auf den Autor selbst. Die Maus ist blass und außer Puste. Kafka, in dessen Hauptwerk – Romanen wie „Der Prozess“ – der entfremdete Mensch des Industriezeitalters, dessen Bürokratie und der sich beidem verweigernde menschliche Körper im Mittelpunkt steht, wurde nur 44 Jahre alt, er litt an Tuberkulose. Dem Topos des dauerkranken Autors, der seine eigene gesundheitliche Unzulänglichkeit zum Movens der literarischen Arbeit macht, setzen Maas und Kaufmann in ihrem Spielfilm-Porträt einen zunächst erstaunlich stabilen Kafka entgegen, bevor ihn die Krankheit dahinrafft.
Im Zentrum steht seine Beziehung mit der Kommunistin und Schauspielerin Dora Diamant. Die beiden lernen sich an der Ostsee kennen und lieben. Es ist das Jahr 1923, wir lernen Kafka als begeisterten Schwimmer und Motorradfahrer kennen. Als Menschen, der gern Versammlungen und Partys besucht, mit durchaus Spaß am Leben.
Bis er in eine kalte möblierte Wohnung nach Berlin zieht. Kafkas Verwandtschaft war strikt gegen den Umzug, Mutter und Schwester sähen ihn lieber bei sich in Prag, wo sie ihn umsorgen könnten. Indes, Kafka will seinen Vater meiden, der mit seiner herrischen Präsenz wahrscheinlich erst das kafkaeske Schreiben des Sohnes ermöglicht hat (in einer Szene klingt der autoritäre Vater wie die Lehrerin in der TV-Cartoon-Serie „Peanuts“).
In Berlin arbeitet der Schriftsteller an seinen Manuskripten, bekommt Besuch von Freunden, spricht über mögliche Lesungen und ebenso hypothetische Veröffentlichungen, später soll er verfügen, alle seine Schriften seien zu vernichten.
Es sind die Vorkriegsjahre, der Nationalsozialismus läuft sich – anders als Kafkas Kohleheizung – warm. Das Leben da draußen drängt aber nur wenig ins Bild. Nur in Gesprächen Diamants taucht die Politik auf. Von Straßenschlachten, Massenarbeitslosigkeit und Inflation sieht man nichts. Das Berlin der wilden Zwanziger – in diesem Film eine ruhige Seitenstraße in Steglitz. Weglassen scheint die neue Art der Filmerzählung.
Der ohne Zweifel schöne Film konzentriert sich ganz und zu sehr auf die beiden Hauptfiguren, die mit Tambrea und Konfurius sicher eine sehenswerte Bestbesetzung erfahren. Was das für eine Zeit war, in der die beiden lebten, welche Entwicklungen guter wie schlechter Art sie bot, bleibt zu sehr im Hintergrund.
Diese Kritik erschien zuerst am 13.03.2024 auf: links-bewegt.de