Orca

(IRN/QAT 2021; Regie: Sahar Mosayebi)

Schwimmkunst als Politikum

Der Schwertwal, der der iranische Schwimmerin Elham im Wasser begegnet, kennt keine Hindernisse, er setzt sich gegen alle Widrigkeiten durch. Elham ist Extremschwimmerin, aber so leicht wie im Wasser fühlt sie sich selten. Und selbst dort – auch wenn‘s kaum möglich ist – legt man ihr Steine in den Weg. Sportschwimmen für Frauen soll es nach Auffassung der Männer und der iranischen Sportministerin nicht geben. Elham wird deshalb ein Zeichen setzen. Niemand ist bisher weiter als sie geschwommen, die Hände mit Handschellen gefesselt. Ihr Schwimmanzug trägt die Farben ihres Vorbilds: schwarz und weiß, stark und schön – ganz wie der Orca.

Mit ihrem Film „Orca“ greift Regisseurin Sahar Mosayebi den Fall der realen Elham Asgari auf. Sie startete im Jahr 2013 einen Guinessbuch-Rekordversuch im ozeanischen Weitschwimmen der Frauen. Doch das Unterfangen wurde abgebrochen, das Ministerium wollte weder Guinness-Buch noch schwimmende Frauen dulden. Asgari wurde fast von wütenden Männern in einem Motorboot getötet, weil Religionswächter Wind von ihrem Vorhaben bekommen hatten.

Gewalterfahrung ist auch im Film ein Erzählkern, ein Lebensthema, mit dem sich Asgari auseinandersetzen muss. Sie ist mit einem Schläger verheiratet, der ihr gefährliche Verletzungen zufügt. Niemand hilft ihr, nicht mal die eigenen Eltern, die von den Vorfällen wissen. Denn Asgaris Blessuren sind auch nicht zu übersehen: Einmal prügelt er sie ins Koma, sie landet auf der Intensivstation.

Ganz sprichwörtlich geht die junge Frau also ins Wasser – nicht um zu sterben, sondern um vor der Gewalt davon und zu sich selbst zu schwimmen. Der Schwimmverband unterstützt sie, aber sie bekommt Schwierigkeiten mit dem Sportministerium, das den Kader der Schwimmerinnen auflösen will. Warum, so fragt sich Asgari, vertritt die Sportministerin, eine Frau wie sie, nicht die Interessen der Sportlerinnen? Weil es die Interessen einflussreicher Kreise stört. Denn selbst das recht harmlos daherkommende Durchqueren des Wassers wird in der iranischen Religionsdiktatur zum Problem. So gerät die Schwimmkunst zum Politikum.

Diese Kritik erschien zuerst am 17.01.2024 auf: links-bewegt.de

Orca
Iran, Katar 2021 - 107 min.
Regie: Sahar Mosayebi - Drehbuch: Tala Motazedi - Produktion: Tahoora Abolghassemi, Ahmed Al Baker, Luca Bercovici, Mahtab Keramati - Bildgestaltung: Rouzbeh Raiga - Montage: Mohammad Reza Moeini - Verleih: Der Filmverleih - Besetzung: Taraneh Alidoosti, Mahtab Keramati, Ayoub Afshar, Arash Aghabeik
Kinostart (D): 11.01.2024

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt12388280/
Foto: © Der Filmverleih