Priscilla

(USA/IT 2023; Regie: Sofia Coppola)

Gefangen im süßen Nichts

Als Priscilla Beaulieu (Cailee Spaeny) 1959 im hessischen Bad Nauheim den zehn Jahre älteren Elvis Presley kennenlernt, ist sie 14 Jahre alt und entsprechend schüchtern und zurückhaltend. Ihr auf Etikette achtender Vater dient als Offizier in der US-Armee und Elvis, der in den Staaten bereits ein Rock ’n‘ Roll-Star ist, leistet seinen Militärdienst ab. Der hochgewachsene Musiker und das kleine Schulmädchen bilden auch äußerlich einen Kontrast. Bei einer Party singt Elivs, sich selbst am Klavier begleitend, „Heartbreak Hotel“ und Priscilla himmelt ihn an. Überraschend nahbar, witzig und sympathisch, hat der Star in intimen Momenten zugleich eine nachdenkliche, fast kindlich scheue Art. Er leidet unter dem Tod seiner Mutter und hat wie Priscilla starkes Heimweh. Seine Vorstellung einer romantischen Liebe wird offensichtlich von einem Mutter-Komplex bestimmt und hat sowohl eine besitzergreifende als auch eine schutzbedürftige Seite. Mit seiner neuen Freundin besucht er schließlich den Bogart-Film „Beat the devil“ („Schach dem Teufel“) von John Huston.

Sofia Coppolas Film „Priscilla“ nimmt allerdings einen Perspektivwechsel vor und stellt ihre Titelheldin ins Zentrum. Dieses Interesse fügt sich nahtlos in ihr bisheriges Oeuvre ein, das von mehr oder weniger gefangenen Mädchen und Frauen handelt. Doch noch oder gerade die physische und thematische Abwesenheit des Stars erzeugt Reflexe und determiniert das Leben der Heldin. „Bleib wie du bist“, lautet einer von Elvis‘ Abschiedssätzen, der Priscilla auf ein „braves“, weitgehend höriges und folgsames „Mädchen“ reduziert. Als die junge, noch schulpflichtige Frau 1961 mit einer mühsam ihren Eltern abgerungenen Erlaubnis schließlich zu Elvis nach Memphis in Tennessee ziehen darf, wo der Superstar auf seinem Anwesen Graceland mit seiner Entourage einen hedonistischen Lebensstil pflegt, prallen Welten aufeinander. Priscilla landet geradewegs in einem goldenen Käfig. Als schönes Accessoire einer scheinbar heilen Welt, überdies von ihrem väterlichen Gebieter modelliert und eingekleidet, muss sie ihre Bedürfnisse, ja ihre Persönlichkeit zurückstellen. Für ihren zunehmend aggressiver werdenden Freund gibt es nur ein Entweder-oder.

Der Film beginnt mit einer Großaufnahme von Priscillas nackten Füßen, die in einem tiefen, flauschigen Teppich versinken, mit rot lackierten Nägeln, Lippenstift und falschen Wimpern. Die Signale angeblicher Weiblichkeit und ihre erhoffte Wirkmacht scheinen tief verwurzelt im Bewusstsein jener auf Äußerlichkeiten konditionierten Frauen, zu deren von Männern geformtem Glück offensichtlich nur noch ein paar Klunker und ein bisschen Glitzer nötig sind. Priscilla ist eingesperrt in einem süßen Nichts aus Konsum und Langeweile. „Du hast doch alles, was eine Frau sich wünscht“, sagt Elvis einmal zu ihr. Dabei hat sie fast nichts, was ihr „ein eigenes Leben“ jenseits unterdrückter Gefühle und verleugneter Bedürfnisse erlauben würde. Bis die junge Frau, mittlerweile verheiratet und Mutter einer kleinen Tochter, doch noch den Aus- und Aufbruch wagt.

Priscilla
USA, Italien 2023 - 113 min.
Regie: Sofia Coppola - Drehbuch: Sofia Coppola - Produktion: Sofia Coppola, Youree Henley, Lorenzo Mieli - Bildgestaltung: Philippe Le Sourd - Montage: Sarah Flack - Musik: Phoenix - Verleih: MUBI - Besetzung: Cailee Spaeny, Jacob Elordi, Ari Cohen, Dagmara Dominczyk, Raine Monroe Boland, Tim Post
Kinostart (D): 04.01.2024

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt22041854/
Foto: © MUBI