„Halt die Klappe! Einfach mal die Schnauze halten!“ Lothar König kann ganz schön unwirsch werden, wenn ihm was nicht in den Kram passt. Gerade kämpft er mit einem Campingkocher – und nicht nur der spurt nicht wie er soll.
Ebenso schnell beruhigt der Mann sich aber wieder. König dürfte nach Martin Luther der berühmteste Priester im Osten Deutschlands sein. Der Jenaer Jugendpfarrer hat sogar Prozesse über sich ergehen lassen müssen. 2011 wurde er wegen des Verdachts auf „schweren aufwieglerischen Landfriedensbruch“ von der Staatsanwaltschaft Dresden angeklagt. Welcher Geistliche kann das von sich behaupten? Im Prozess stimmten Aussagen nicht überein, entlastende Beweismittel waren auf einmal nicht bei den Akten.
Mit seinem VW-Bus (dem „Lauti“) hatte König damals an einer Gegendemonstration in Dresden teilgenommen. 3.000 Neonazis waren zum Jahrestag der Luftangriffe auf Dresden in die Innenstadt gekommen. Angeblich rief König zu Gewalt auf und fuhr Leute an. Erst 2014 wurde die Anklage mithilfe von bis dahin zurückgehaltenem Videomaterial entkräftet. Gleichzeitig erhielt der Pfarrer, ein Bundesland weiter, den Demokratiepreis von Thüringen und den Jenaer Preis für Zivilcourage – Deutschland schizophren!
Keine Antifa-Demo, die der Mann ausließ, Rückzug war für ihn bisher keine Option. Bis jetzt: Denn König, der 29 Jahre lang die Junge Gemeinde Jena geleitet hat, ist nun in Rente. „König hört auf“ lautet denn auch der Titel des Dokumentarfilms, der sein Wirken würdigt, aber auch einen ungeschönten Blick auf den prominenten und streitbaren Geistlichen wirft.
Was Wunder, hat den Film doch sein Sohn, der Filmemacher Tilman König gedreht. Der lässt den Vater auch mal ruppig auftreten, gern im Disput mit seiner nicht weniger kämpferischen Tochter Katharina König-Preuß, die für Die Linke im Thüringer Landtag sitzt. Voll drauf halten ist hier Programm. König-Sohn sagt über seinen Film: „Ich bin sehr dankbar für das entgegengebrachte Vertrauen und hoffe, bei den Zuschauern des Films zumindest Irritation hervorzurufen.“
Der Film enthält viele Szenen aus Jugendzentren und von Punkkonzerten, von den neunziger Jahren bis heute. Und auch Bilder aus DDR-Zeiten, wo der streitbare Mann schon bei Stasi und SED aneckte. Im Zentrum steht jedoch immer wieder Königs Wirken gegen die grassierende Nazi-Szene Ostdeutschlands, der er sich immer wieder entgegenstellt, Demos organisiert, Podien besetzt, dafür kämpft, dass insbesondere die Jugend nicht in den Rechtsextremismus abdriftet. Früh hat König vor der Gefahr des NSU-Terrors gewarnt, er kennt Rechtsextremistin Beate Zschäpe noch von Gegendemonstrationen. Und wurde wie andere Mitglieder seiner Familie Opfer von rechten Gewalttaten. Eine tiefe Narbe in seinem Gesicht kündet von einem solchen Angriff. Kaum denkbar, dass König in seinem Engagement nachlässt.
„Von Adorno stammt der Satz: Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Ich sage: Doch das gibt es. Irgendwas, und wenn alles noch so schiefläuft, ist immer gut“, beschreibt er seine Lebenshaltung. Und wie sollte es auch für jemanden wie König ein falsches Leben geben?
Der mitreißende Film geht ab 17. November auf Tour, bei einigen Aufführungen wird Lothar König zugegen sein.
Diese Kritik erschien zuerst am 17.11.2022 auf: links-bewegt.de