Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush

(DE/FR 2022; Regie: Andreas Dresen)

Knastgeschichte

In der Ukraine will ihn keiner und jetzt gibt es auch noch Ärger im Kino: Wenn der Film „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ nun in den Kinos startet, kann sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an seinen Job als Kanzleramts-Chef erinnert fühlen. Murat Kurnaz, ein junger Bootsbauer-Azubi aus Bremen, verbrachte insgesamt fünf Jahre im US-Knast Guantanamo auf einem US-Stützpunkt auf Kuba. Den US-Behörden war er in Pakistan ins Netz gegangen – kurz nachdem der „War on Terror“ in der Folge der Anschläge auf das New Yorker World Trade Center ausgerufen worden war, die islamistischen Attentätern zugeschrieben wurden.

Kurnaz passte zwar optisch ins Terroristen-Profil, ansonsten befand er sich im Jahr 2002 eigenen Angaben zufolge auf privater Sinnsuche. Die US-Ermittler boten Steinmeier seinerzeit denn auch an, Kurnaz nach Deutschland zu überstellen. Steinmeier zeigte daran aber kein Interesse, und so verbrachte Kurnaz einige Jahre länger in US-Haft als notwendig. Menschenrechtler kritisieren Steinmeier deswegen bis heute.

Der renommierte Regisseur Andreas Dresen erzählt nun Kurnaz‘ Geschichte nach, ruft die „extralegale“ Gefängnispraxis der USA in Guantanamo ins Gedächtnis zurück. Allerdings sehr indirekt: Sein Star ist Rabiye Kurnaz, Murat Kurnaz‘ resolute, herzenswarme wie schlagfertige Mutter. Mit viel Energie – und mit Hilfe des engagierten Rechtsanwalts Bernhard Docke – konnte sie jenen titelgebenden Prozess gegen den US-Präsidenten erwirken, der letztlich zu Kurnaz‘ Freilassung führte.

Rabiye Kurnaz wird kongenial von der Komikerin Meltem Kaptan in einer Mischung aus Mutterwitz und Attacke à la Mutter Beimer in Szene gesetzt. Keine Frage, wer Mutter Kurnaz kennt, findet sie top dargestellt, der Schauspielerpreis „Silberner Bär“ auf der diesjährigen Berlinale geht voll okay!

Allerdings wird der Komödien-Anteil in diesem Film bisweilen etwas dominant – und mehr als einmal reitet Dresen der Teufel. So besetzt er sich selbst als Richter im US-Gericht – Lacher garantiert, klar. Aber dient dies unbedingt der Geschichte? Ist das hier wirklich so lustig? Als Murat dann schließlich deutschen Boden betritt, zerstört von der Haft, wortkarg, kann die Regie zu wenig mit ihm anfangen. Zu sehr soll hier Satire inszeniert werden. Ob das angemessen ist, mag jeder selbst beurteilen. Sehenswert ist der Film allemal.

Diese Kritik erschien zuerst am 22.04.2022 auf: links-bewegt.de

Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush
Deutschland, Frankreich 2022 - 119 min.
Regie: Andreas Dresen - Drehbuch: Laila Stieler - Produktion: Claudia Steffen, Christoph Friedel - Bildgestaltung: Andreas Höfer - Montage: Jörg Hauschild - Musik: Johannes Repka, Cenk Erdoğan - Verleih: Pandora - FSK: ab 6 - Besetzung: Meltem Kaptan, Alexander Scheer, Charly Hübner, Nazmî Kirik, Sevda Polat
Kinostart (D): 28.04.2022

DVD-Starttermin (D): 04.11.2022

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt13471738/
Foto: © Pandora