„Die Welt ist eine Ödnis.“ In grauen, farblosen Bildern zeigt der Film triste Stadtansichten und hässliche Wohnverhältnisse. Zeichen des Zerfalls umschließen die Ansicht einer kaputten Gesellschaft: Der Wohnraum ist knapp, die Heizung funktioniert nicht, die Toilette ist undicht. Draußen in den Straßen stapelt sich der Müll, bröckeln die Fassaden, werden tiefe Löcher in die Erde gegraben. Immer wieder führen die Wege ins Dunkle, durch Unterführungen und in Tunnel. Überhaupt bleiben die Hintergründe der Bilder unscharf. Eine umfassende, allgegenwärtige Tristesse und eine existentielle Ausweglosigkeit bestimmen den chinesischen Film „An elephant sitting still“ von Hu Bo.
„Die Welt ist einfach ekelhaft.“ Dass der Mensch dem Menschen ein Wolf ist, führt der Film in fast jeder Szene vor. Egoistisch und ohne Mitgefühl befinden sich die Figuren in einem permanenten herzlosen Gegeneinander. Sie erleiden Demütigungen und Erniedrigungen, fügen einander Schmerzen zu, werden geprügelt von physischer und psychischer Gewalt und sie verschanzen sich hinter einer Fassade aus Gleichgültigkeit. „Mir sind alle Menschen egal“, sagt einer von ihnen. Nirgends scheint es positive Beziehungen zu geben. Das unausweichliche Leiden, das sich unentwegt wiederholt und fortsetzt, erscheint als naturgegeben und determiniert: „Mein Leben ist eine Müllhalde. Ich räume den einen Müll weg, schon kommt der nächste.“ Ein derart nihilistischer Blick auf die Welt sucht nicht mehr nach einer Antwort auf das Warum der Schlechtigkeit.
„Was bringt es, zu etwas nütze zu sein?“, fragt einmal der Kleinganove Yu Cheng (Zhang Yu). Am Morgen dieses langen Tages hat sich sein Freund in den Tod gestürzt, weil Cheng ihn mit seiner Freundin betrogen hat. Jetzt sucht der Schuldbeladene desinteressiert nach dem „zufälligen“ Mörder seines ungeliebten Bruders, einem Schüler namens Wie Bu (Peng Yuchang). Dieser lebt selbst in unguten, von Gewalt, Misstrauen und Ausgrenzung geprägten Beziehungen. Vielleicht fühlt er sich zu seiner Mitschülerin Huang Ling (Wang Yuwen) hingezogen. Doch diese hat sich aus dem Stress mit ihrer lieblosen Mutter in die Arme des verheirateten Konrektors ihrer Schule geflüchtet. Schließlich ist da noch die Geschichte des alten Wang Jin (Liu Congxi), der in ein trostloses Altersheim abgeschoben werden soll.
Im Mikrokosmos dieser parallelen Leben berühren und kreuzen sich die Wege der Protagonisten, ehe sie zu einer Art Schicksalsgemeinschaft oder Ersatzfamilie werden, die sich auf die nächtliche Fahrt zu dem titelgebenden Elefanten in einem Zoo von Manjur begibt. Dessen ungewöhnlicher Stoizismus, verbunden mit einer unerschütterlichen Unempfindlichkeit, erscheint ebenso legendär wie vorbildlich. In langen Einstellungen und mit geschmeidigen Bewegungen folgt die Kamera des Bildgestalters Fan Chao seinen traurigen Helden durch einen enorm bedrückenden Alltag. Immer wieder hält er dabei inne, um die Spannung der Sprachlosigkeit und die Anspannung vor dem Unausgesprochenen zu kommunizieren. Dabei wird der knapp vierstündige Film von Hu Bo selbst zu einer (depressiven) Erfahrung; und zum traurigen Vermächtnis des Autors und Regisseurs, der sich mit 29 Jahren das Leben nahm.