So war das Anfang der 70er Jahre in Zeitungsredaktionen: Journalisten waren Männer mit Krawatten und weißen Oberhemden, die Frauen waren Tippsen (außer ein paar Emanzen eben). Die Telefone, an denen die Redakteure, die ununterbrochen rauchten, sich mit Informanten austauschten, hatten Wählscheiben. Und im Newsroom gab’s statt des Internets ein Rohrpostsystem. Die Reporter waren nur halbwegs rasiert, rauchten ebenfalls unentwegt und trafen sich in abgelegenen Provinzmotelzimmern mit fragwürdigen Gestalten, die Staatsgeheimnisse in ihren Koffern umhertrugen. So war das.
Steven Spielberg hat einen Film gemacht, der die Presse und ihre Aufgabe (Kontrolle der Regierung) glorifiziert, der die Zeitungen als die große, wichtige vierte Macht im Staat inszeniert, als Hüterinnen der Demokratie, die, um des Wohlergehens der Gesellschaft willen, täglich mit ihren Artikeln tapfer für Aufklärung und Meinungsfreiheit und gegen Korruption und Lüge kämpfen – statt Artikel zu produzieren, die nur dazu da sind, „den Platz zwischen den Anzeigen zu füllen“ (Hermann L. Gremliza).
Die Zeitung, um die es in Spielbergs neuem Film „Die Verlegerin“ geht, die „Washington Post“, ist ein traditionelles Familienunternehmen. Die Verlegerin (Meryl Streep), ganz zaudernde Bürgersfrau, ist hin- und hergerissen: Soll sie einen nicht geringen Anteil ihres Blattes, um es am Leben zu erhalten und bestenfalls ordentlich Geld mit ihm zu verdienen, an Investoren verhökern, oder soll sie zugunsten der guten alten journalistischen Unabhängigkeit aufs Ökonomische vorerst pfeifen? Wie viel Einspruch von Anteilseignern oder Anzeigenkunden muss man als Zeitungsverlegerin erdulden? Soll der Chefredakteur der „Post“ (Tom Hanks) sich von US-Präsident Nixons Schergen vorschreiben lassen, welche Mitarbeiterin er anlässlich der Hochzeit von Nixons Tochter ins Weiße Haus schicken soll? Oder soll er gegenüber Nixon darauf bestehen, dass bitteschön die kritische Reporterin zu berichten hat und nicht die Klatschkolumnistin? Soll man die 20 Kilogramm Geheimdienstunterlagen, an die man gekommen ist und aus denen hervorgeht, dass die US-Regierung jahrelang die Bevölkerung über den Verlauf des Vietnamkriegs belogen hat, veröffentlichen? Oder soll man aus Angst vor Nixons Macht klein beigeben? Will man Regierungsblatt sein oder kritischen Journalismus betreiben?
Sie merken: Es geht um Aufrichtigkeit, um Wahrheit, um Moral, um sogenanntes ehrliches Journalistenhandwerk einerseits und Profit und Propagandistenhandwerk andererseits. Es ist aber auch ein Film geworden, in dem in bräunlich-beige eingerichteten Großbürgerwohnungen überdurchschnittlich viel unoriginelle Dialoge aufgesagt werden. Und in dem Tom Hanks mit einer Frisur umherstiefelt, die aussieht wie ein schlecht angeklebtes Toupet.
Später folgen schließlich die standardisierten Filmbilder über die Zeitungsbranche: aufgeregt hin- und herlaufende Zeitungsmenschen, die Merksätze sagen („Man kann nicht gleichzeitig eine Informationsquelle und ein Freund sein“) oder Sachen rufen wie „Wir drucken’s!“ oder „Wir haben noch zehn Stunden!“, vom Wind durch die Straßen getriebenes Zeitungspapier, Druckplatten mit Bleisatzbuchstaben, ratternde Druckmaschinen und Fließbänder, drängende Telefonkonferenzen, Zeitungspakete, die im Morgengrauen auf Auslieferungslaster verladen werden und später auch wieder aus ihnen herauspurzeln auf die Straße, dazu die handelsübliche, wahlweise klebrige oder dramatische Musik. Am Ende gewinnen wie immer die Guten gegen den Bösen. Klar, denn es ist ein Spielberg’scher Saubermannfilm. Und eine moralische Botschaft haben wir auch auf den Weg mitbekommen: „Die wesentliche Aufgabe der Presse besteht in einer Demokratie darin, den Regierten zu dienen, nicht den Regierenden.“ Gut. Jetzt können wir uns wieder beruhigt der Lektüre der „Süddeutschen“ widmen.
Dieser Text erschien zuerst in: Neues Deutschland
Hier findet sich eine weitere Kritik zu „Die Verlegerin“.