Der französische Polizeifilm, im Heimatland ein beliebtes Genre mit langer kinematographischer Tradition, hat es nicht leicht in Deutschland. Kaum einmal schafft er es auf die Kinoleinwand, zumeist wird er als Direct-to-Digitalmedium–Actionreißer verheizt. Lediglich beim Fantasy Filmfest scheint sich der Policier einen festen Programmplatz erkämpft zu haben. Anhand von Fred Cavayés hartem Thriller „Point Blank“, in dem sich auch Spurenelemente des Cinema Beur nachweisen lassen, kann man einmal mehr plausibel nachvollziehen, warum diese französischen Nischengewächse mit ihrer kinetischen Energie auf die Kinoleinwand gehören, und woher und weshalb sich, über den Teich gedacht, Hollywood so gerne Inspirationen fürs obligatorische Remake holt.
Der Krankenpfleger Samuel Pierret (Gilles Lellouche) überrascht während der Nachtschicht eine unbekannte Person auf der Station. Eine Kontrolle der Patienten ergibt: das Beatmungsgerät des kurz zuvor eingelieferten und verletzten Sartet (Roschdy Zem) wurde abgeschaltet. Ein Mordversuch? Wieder zuhause wird Samuel in der eigenen Wohnung niedergeschlagen und die hochschwangere Gattin entführt. Ein unbekannter Anrufer zwingt ihn dazu, eben jenen Patienten, dem nach dem Leben getrachtet worden war, unbemerkt aus der Klinik zu schaffen und ihn anschließend gegen seine Frau einzutauschen. Was Samuel nicht weiß: mittlerweile ist auch die Polizei hinter dem Mann her und er selbst wird nach der abenteuerlichen, geglückten Entführung für einen Komplizen gehalten. Dass hinter der Sache ein Mordfall an einem Industriellen steckt, und er selbst immer tiefer in die unübersichtlichen Verschlingungen französischer, rumänischer und maghrebiner krimineller Vereinigungen hineingezogen wird, ist dabei wenig überraschend. Schließlich geht es nur noch ums Überleben und darum, Frau und ungeborenes Kind zu retten.
Und freilich ist es wieder auch einmal so, dass sich die Grenzen zwischen Gut und Böse aufheben, dass zwischen Polizist und Kriminellem kein Unterschied mehr besteht. Und abgesehen davon, dass alles nach Korruption und Bereicherung stinkt, muss auch Samuel schließlich gewalttätig werden, um der Gewalt Herr zu werden – einen Rest Menschlichkeit allerdings bewahrt er sich natürlich, unser Held. Dass sich der Fall für den Zuschauer nach bereits 40 Minuten geklärt hat, ist dabei eine interessante narrative Entscheidung. Der Plot gibt sich anschließend völlig an die Action hin, eine Verfolgungsjagd hetzt die andere, und Paris gleicht einem Kriegsgebiet. Hier wird irgendwann auch auf offener Straße und in den Stationen der Métro herumgeballert. Zum Showdown geht es dann ins Herz der Finsternis hinein, dorthin, wo alles Übel herkommt: ins Polzeirevier. In einem völlig auf Chaos und Atemlosigkeit getrimmten, fulminanten Finale scheint das Gebäude geradezu zu implodieren. Eine ziemlich überflüssig hinzukonstruierte Rahmenhandlung zwecks Suspensegenerierung und einige grobe Unwahrscheinlichkeiten sind dabei kleinere Kritikpunkte an einem nicht immer hundertprozentig stilsicheren und manchmal absurden, dafür aber rasanten und knackig-kurzen Actionfilm. Ein Film, der zwar etwas hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt, dafür aber Lust auf weitere Vertreter seines Genres macht. Auch ohne Vincent Cassel. Zut alors!