Auf die verdrehten Buchstaben des Filmtitels und auf dissonante Klänge folgen Bilder der Gewalt: Grünes Wasser überschwemmt Treppenaufgänge, Sperrmüll übersät die Straßen, Barrikaden und Autos brennen, Patienten werden aus ihren Krankenhausbetten gezerrt, um Platz zu schaffen für Verletzte. Zugleich begleitet eine Geräuschkulisse aus Polizeisirenen, Flugzeuglärm, Schüssen und Geschrei die Szenen. Chaos und Anarchie sind in Michel Francos äußerst intensivem Film „New Order – Die neue Weltordnung“ von Anfang an allgegenwärtig.
Die Welt steht in Flammen, aber nicht alle wollen das wahrhaben oder überhaupt bemerken. Und so geht der Film nahtlos und für längere Zeit über zu einer Hochzeit in der High Society, die in einem vornehmen Wohnviertel von Mexiko-Stadt stattfindet, wo die Reichen und Schönen unbeschwert und ausgelassen feiern. Hier heiratet die glückliche Braut Marianne Novelo (Naian González Norvind) im roten Hosenanzug, begrüßt Gäste und nimmt Geschenke entgegen.
Auch wenn es erste Irritationen und unscheinbare Risse in dieser glänzenden und blendenden Fassade des Wohlstands gibt, wird die Realität jenseits der weitgehend abgeschirmten Wohlfühlinsel ausgeblendet. Die Kontraste zwischen heiler und zerstörter Welt könnten kaum größer sein. Das ändert sich abrupt, als plötzlich Aufständische in das abgesicherte Privatgelände eindringen und die Feier rücksichtslos in Gewalt und Chaos stürzen.
Mitleidlos und ohne Ansehen der Person wird gemordet, geplündert, gierig gerafft und zerstört. Ein blinder Vandalismus zieht eine Spur der Verwüstung nach sich. „Scheiß Reiche“ wird in großen Lettern auf die Wände geschmiert. Dabei wechselt das diskriminierte indigene Hauspersonal die Seiten, um sich zu rächen und zu bereichern. Jegliche Regeln und Moral sind außer Kraft gesetzt. Es gibt weder Gnade noch Verzeihen.
Michel Francos radikale filmische Dystopie betreibt keine Ursachenforschung oder überhaupt eine Analyse sozialer Ungleichheit, die hier zum Auslöser der Krawalle wird. Sein atemloser Film folgt vielmehr der unberechenbaren Dynamik von Gesetzlosigkeit und einer Gewalt, die von völliger Willkür dominiert wird. Das gewinnt besonders deutlich Brisanz, als schließlich das Militär die Aufstände niederschlägt, Folterzentren einrichtet und ein Überwachungssystem installiert. Denn auch unter den Soldaten ist jeder auf seinen eigenen Vorteil bedacht, sind Freund und Feind nicht zu unterscheiden. Ihr Regime aus Angst und Schrecken zielt mit aller Brutalität auf Bereicherung.
„New Order“ dringt in der Darstellung eines vollständigen Kontroll- und Vertrauensverlustes vor in eine grausame, schwer erträgliche Dimension schier unvorstellbarer Entmenschlichung, wo es weder Gnade noch Hoffnung gibt. „Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen“, lautet das nach einem Zitat des Philosophen George Santayana betitelte Wandgemälde von Omar Rodriguez-Graham, das gleich zu Beginn des Films zu sehen ist.