Tiere sehen dich an. Frisch »erlegt«, werden sie für das Trophäenfoto vom Blut gereinigt und in die gewünschte Pose gezerrt, oder ihre ausgestopften Köpfe hängen an der Wand. Zum Opfer gefallen sind sie Tierschützern und Entwicklungshelfern: ‚Eigentlich erlöst man nur die Tiere‘, versichern sich die Geschwister aus Österreich, die zusammen mit ihren Eltern auf Familiensafari nach Namibia gefahren sind und die nun wiederum der Regisseur Ulrich Seidl in seiner peniblen Bildkomposition platziert hat. ‚Man hilft ja eigentlich … den Tiergenerationen …, dass sie leben können.‘ Außerdem, ergänzt ein deutscher Jägersmann, gebe ein Jagdtourist in Afrika ‚in einer Woche mehr Geld aus als ein normaler Tourist in zwei Monaten‘, davon hätten alle was. Der weiße Farmbesitzer reagiert etwas impulsiver auf Seidls Fragen: ‚Warum muss ich sagen, warum ich mal ein Tier töte!?‘
Nach seiner ‚Paradies‘-Trilogie ist der Erforscher der menschlichen Natur wieder zu Dokumentationen zurückgekehrt, die allerdings mit ihren gemäldeartig arrangierten Bildern gegen Regeln des Dokumentarfilms verstoßen. Er bilde die Realität nicht eins zu eins ab, sagt Seidl, sondern ‚ich nehme und forme sie. Aber in allem liegt eine innere Wahrheit.‘
Wenn die bewaffneten Missionare nicht im Tarnfarbenschick und rustikalen Wandgeweihambiente vor der starren Kamera plaudern oder, wie das aus Im Keller‚ bekannte ältere Ehepaar, die massigen Körper in der Sonne brutzeln lassen (ein Lieblingsmotiv Seidls) und dabei vom ‚Traumfleisch‘ der ‚verendeten Stücke‘ (getötete Tiere im Jägerlatein) schwärmen, pirscht sich die Kamera an die Freizeitterminatoren auf der Pirsch heran. Als Beobachter der Beobachter sehen wir zu, wie sie sich flüsternd verständigen, wie ihnen das Wild vor der Flinte serviert wird, das Adrenalin steigt (’nur das Stück und du – alles andere ist ausgeblendet‘) und sie sich nach dem Schuss vor dem Opfer in die Arme fallen. Auch wenn sich eine Giraffe in einer quälenden Sequenz im Todeskampf aufbäumt, scheint das die Lust am Töten nicht zu mindern. Nur der coproduzierende Sender Arte hatte Probleme mit solchen expliziten Bildern.
Der schrecklich treffsichere ‚Urlaubsfilm über das Töten‘ handelt nicht zuletzt von Rassismus und Ausbeutung. Die schwarzen Gehilfen haben in der Realität wie in ‚Safari‘ keine Stimme. Sie stehen in den Filmstillleben stumm da, übernehmen die Drecksarbeit des Abtransports und Ausweidens oder nagen Knochen ab. Dank ‚anderer Muskelfasern‘ könnten ‚die Schwarzen‘, erklären die Farmbesitzer, ‚deutlich schneller laufen als wir. Wenn sie denn wollen.‘ Auch wenn er nichts von alledem kommentieren will, ist Seidls befremdetes Staunen zu spüren. Die Schützen finden sich dennoch gut getroffen.
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Konkret 12/2016