Die Biografie des Ausnahmesportlers Jesse Owens ist eine Mustererzählung des 20. Jahrhunderts. Vierfacher Goldmedaillengewinner bei der Hitler-Olympiade in Berlin 1936, Ikonendarsteller für die Menschenrechte, Schauläufer gegen Pferde, Kettenraucher, Diskriminierter, Jazzimpresario, Werbeprofi, mehrmals pleite gegangen: Das Lebensprogramm, das der schwarze Ausnahmeathlet, 1917 geboren und 1980 gestorben, absolvierte, reicht mit Sicherheit für mehr als einen Kinofilm.
Allerdings offensichtlich nicht so ganz für den von Stephen Hopkins. Der hat sich zwar mit Stephan James einen sehr guten Hauptdarsteller ausgesucht – und rennt Weltklasse durch die Erzählung von Owens’ Zeit auf der Universität bis zum Bankett zu seinen olympischen Ehren, das er durch den Seiteneingang und den Lastenaufzug betreten darf. In der Uni durfte er nur duschen, wenn es ihm vom weißen Footballteam erlaubt wird; der Ruhm scheint nicht viel wert.
Noch mal richtig gut wird der Film, wenn es um die Diskussionen im Olympischen Komitee geht. Sollen die USA im nationalsozialistischen Deutschland auflaufen? Mit welchem Team? Da fallen Funktionär Avery Brundage prima Argumente ein, warum Juden nicht für die USA starten sollen.
Was ‚Zeit für Legenden‘ hingegen gar nicht hinkriegt, sind Hitler und Konsorten wie Joseph Goebbels, dessen Darsteller Barnaby Metschurat nicht nur optisch eine rechtschaffene Fehlbesetzung ist. Text hat man ihm auch nicht gegeben. Vielleicht hätte das Team den Propagandaminister vorher mal googeln sollen.
Gründe, den Film komplett zu verreißen, sind das trotzdem nicht. Was in der Hauptsache an James’ darstellerischen Fähigkeiten liegt. Darüber hinaus überzeugen einige Szenen in ihrer Modellhaftigkeit: Das Problem, dass Politik im Sport bis heute nichts zu suchen hat, wird mehrfach bei den Komitee- und Politikertreffen ausgeleuchtet. Jeremy Irons glänzt hier als Prototyp aller korrupten Funktionäre in der Rolle des US-Sportpolitikers Brundage, dem bei den olympischen Verhandlungen mit den Nazis wie beiläufig auffällt, dass er ja auch noch ein Bauunternehmen hat.
Owens hingegen ist am anderen Ende der Skala: Soll er das Sportfest boykottieren, um ein starkes Zeichen zu setzen, oder soll er einen extrastarken Wettkampf abliefern? Eine Debatte wie von heute. Nennen wir es eine Studie, eine sehenswerte.
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Konkret 8/2016