Dolls

(I/USA 1987; Regie: Stuart Gordon)

Bad Parents Nightmare oder: Wie Mörderpuppen die schwarze Pädagogik auf den Kopf stellen

Stuart Gordon und sein – zumindest als Regisseur immer noch sträflich unterschätzter – Kompagnon Brian Yuzna machten sich ab der Mitte der Achtziger Jahre nicht nur zu Erneuerern eines sich in endlosen Slasher-Sequels und –Rip-Offs totlaufenden amerikanischen Horrorkinos, sie zählen mit ihren betont kleinen Filmen auch zu den großen subversiven Kräften des amerikanischen Films ihrer Zeit überhaupt. So wie die Splatterfilme von Craven, Hooper oder Romero in den Siebzigern auch als grimmige Antworten auf den Watergate-Skandal und den Krieg in Vietnam gelesen werden können, so reagieren Gordon und Yuzna mit den ihren auf die Zumutungen einer von der Politik von Reagan und Thatcher – und ihren Nachahmern – geprägten Dekade.

So formuliert etwa ein Film wie Yuznas erste – und wohl nach wie vor beste – Regiearbeit „Society“ (1989), weit über ihre ja schon im Titel steckende Gesellschaftskritik, durch die geradezu infantile Lust am deformierten, entgrenzten, fragmentierten, de- und rekonstruierten Körper Einspruch gegen die Körperpolitik des Neoliberalismus. So wird der durch diese Rolle zur Kultfigur unter Genre-Aficionados avancierte Jeffrey Combs als mad scientist Herbert West in den „Re-Animator“-Filmen, der die Toten wiederauferstehen lässt, einfach nur, weil er es kann, auch zum Albdruck eines keinem moralischen Gesetz unterworfenen, nur durch die eigenen Möglichkeiten der Reproduktion gezügelten Kapitals. Und was den sein berufliches Instrumentarium zum wirklich fiesen Morden missbrauchenden Zahnarzt aus Beverly Hills in den „Dentist“-Filmen anbelangt, well, you catch my drift …

Wie passt nun „Dolls“, 1985 unter der Regie von Gordon und der Produktion von Yuzna in Italien gedreht, aber erst 1987 in die Kinos gebracht, in dieses Bild? Nun, vielleicht sollte man damit beginnen anzumerken, dass wir es hier mit einem, auch für Gordon/Yuzna-Verhältnisse, in jeder Hinsicht kleinen Film zu tun haben. Mit wahrscheinlich recht überschaubarem Budget und – sieht man von der Vielzahl mordender Spielzeuge einmal ab – noch überschaubarerem Figurenensemble, erzählt „Dolls“ in kompakten 78 Minuten einen Plot, der zum Großteil in einem einzigen, freilich recht riesigen Haus spielt, und locker auf einen Bierdeckel passt. Dazu passt, dass sich die kritischen Töne hier nicht auf ein gesellschaftliches großes Ganzes beziehen, sondern vielmehr auf die Keimzelle der Gesellschaft abzielen: die Familie.

Und die Familie, Vater, (böse) Schwiegermutter, kleine Tochter, die wir in den ersten Szenen im Auto kennenlernen, ist kein Ort, an dem ein Kind großgezogen werden sollte, soviel steht fest! Die beiden ihre wohl chronische schlechte Laune sowieso schon permanent an der siebenjährigen Judy auslassenden Erwachsenen werden noch garstiger, als sie bei ihrem Urlaub im englischen Hinterland mit dem Auto im Schlamm stecken bleiben. Unterschlupf bietet ein altes Anwesen, das – scheinbar! – nur von dem alten Puppenbauer Gabriel Hartwicke (Guy Rolfe) und seiner Frau Hilary (Hilary Mason) bewohnt wird, und in dem schon der Kindskopf Ralph (Stephen Lee) mit zwei punkigen Anhalterinnen Zuflucht vor dem Gewitter gefunden haben. Doch Judy, die schnell in Ralph (der eigentlich gar nicht viel machen muss, außer ängstlich und in jeder seiner Bewegungen entschieden unerwachsen zu wirken, um eine der tollsten Figuren des Kinos der Achtziger zu werden) einen Verbündeten findet, bemerkt sehr bald, dass hier etwas nicht stimmt. Ist vielleicht an der Geschichte von dem Spielzeug, das, während man schläft, zum Leben erwacht, etwas dran? Und geht es bei diesem Eigenleben der vermeintlich unbelebten Puppenwelt am Ende gar mörderisch zu?

„Dolls“ setzt auf routinierten Grusel, der durch die finsteren, immer wieder vom draußen tobenden Unwetter durchblitzten Gänge des Anwesens und die wirklich creepy animierten Puppen entsteht. Dazu kommen noch einige recht garstige blutige Kills. Die Angstphantasie von dem lebenden bösen Spielzeug entwickelt sich am Schluss zur Erfüllung der Rachephantasie vom Anfang, aus der einen nun kein stiefmütterlicher Klaps mehr wecken kann. Dabei bleibt das Ende gerade dadurch ambivalent, dass es scheinbar so ganz und gar auf Ambivalenzen verzichtet, sich ganz auf die Seite der Kinder und Kind gebliebenen schlägt und die geldgeilen, gehässigen und gefühlskalten Erwachsenen von nun an dazu verdammt, Ihresgleichen zu zerfleischen. Schwarze Pädagogik einmal anders herum.

Der in Deutschland vollkommen unzeitgemäßerweise immer noch indizierte Film liegt in Österreich auf einer ordentlichen Blu-Ray-Edition von Koch Media und NSM vor.

Benotung des Films :

Nicolai Bühnemann
Dolls
(Dolls)
Italien, USA 1987 - 78 min.
Regie: Stuart Gordon - Drehbuch: Ed Naha - Produktion: Brian Yuzna - Bildgestaltung: Mac Ahlberg - Montage: Lee Percy - Musik: Fuzzbee Morse - Verleih: Koch Media / NSM - FSK: Ungeprüft - Besetzung: Ian Patrick Williams, Carolyn Purdy-Gordon, Carrie Lorraine, Guy Rolfe, Hilary Mason, Bunty Bailey, Cassie Stuart, Stephen Lee
DVD-Starttermin (D): 16.12.2013

IMDB-Link: http://www.imdb.com/title/tt0092906/?ref_=fn_al_tt_1
Foto: © Koch Media / NSM