Der Teufel steckt im Detail. Das bedeutet unter anderem, er versteckt sich im Bilderfluss einer Videoaufzeichnung, die vorderhand die junge Angela zeigt, die verzweifelt wieder und wieder beteuert, nur nachhause zu wollen, und kann hier erst per Rückspultaste und freeze frame sichtbar gemacht werden. In einer Welt, in der immer irgendwo eine Kamera läuft, wird der Kampf, den sich die Mächte des Bösen mit dem Vatikan um die Seelen der Menschen liefern (und ja: diese Dichotomie kann man dem Film, wenn man ihn denn so ernst nehmen möchte, durchaus übel nehmen) auch zu einem Kampf der Bilder. „The Vatican Tapes“ besteht, nach einer pre title sequence, die aus – natürlich inszeniertem – Archivmaterial zusammengesetzt ist, das allerlei Fälle von Besessenheit im Verlaufe der Dekaden zeigt, auch weiterhin zu einem großen Teil aus Blicken durch inner-diegetische Kameras: Vom Handyvideo von der Geburtstagsparty über die Aufnahmen von Krankenhausüberwachungskameras bis hin zu den titelgebenden Vatican Tapes, auf denen sich vermeintliche dämonische Aktivitäten dokumentiert finden. Nach einem Aufstand in der Psychiatrie mit tödlichem Ausgang sehen wir die schwankenden Bilder einer kleinen Videokamera, die an ihrem Kabel an einem Balken aufgehängt wurde. Wenn die Bilder nicht mehr dazu dienen, Orientierung zu verschaffen, zu katalogisieren und zu kontrollieren, sondern nur noch bloßer Ausdruck von angerichtetem Chaos sind, dann hat das Böse eine Schlacht gewonnen.
Es ist in Details wie diesen, dass „The Vatican Tapes“ seinen Reiz entwickelt. Ansonsten spult der Film erst einmal relativ lieblos eine Geschichte herunter, wie man sie seit William Friedkins „Der Exorzist“ (1973) des Öfteren im Kino gesehen hat. Angela (Olivia Dudley), auf die die Funktionäre des Vatikans in Videoaufzeichnungen aus der Psychiatrie aufmerksam wurden, ist, so erfahren wir in einem Rückblick, der etwa zwei Drittel des Films ausmacht, 25, hat einen über-protektiven Vater (Dougray Scott) und einen neuen Freund (John Patrick Amedori), der sich durch diesen erheblichem Druck ausgesetzt sieht, aber trotzdem fest zu ihr hält. Mit einem Schnitt in den Finger auf ihrer Geburtstagsparty, also eigentlich erst einmal harmlos genug – auch wenn sich die Inszenierung redlich bemüht, unmissverständlich klar zu machen, dass hier etwas im Busch ist – häufen sich unheimliche Begebenheiten im Leben der jungen Frau. Sie ist ständig durstig, hat mehrere Unfälle, landet einmal im Koma, aus dem sie erst erwacht, als man sie bereits für tot erklärte. Immer wieder tauchen Raben in ihrer Umgebung auf. Die Stationen ihres Leidenswegs, die Institutionen, die ihr nicht helfen können, sondern nur hilflos dabei zusehen, wie sich ihr Zustand weiter verschlechtert und immer mehr Menschen um sie herum zu Tode kommen, geht der Film durch wie von einer Strichliste. Krankenhaus: Check. Psychiatrische Spezialklinik: Check. Ebenso eindeutig, wie der Film nirgendwo den Verdacht aufkommen lässt, dass es eine natürliche Erklärung für die Geschehnisse geben könnte, steuert er auf den Exorzismus als Mittel letzter Wahl zu.
„The Vatican Tapes“ ist der erste Film, bei dem Mark Neveldine alleine Regie führte. Als Teil des Gespanns Neveldine/Taylor brachte er einst mit den beiden „Crank“-Filmen und dem Meisterwerk „Gamer“ neue Impulse ins Action-Kino. „Crank“ wartete mit einer ebenso einfachen wie genialen Prämisse auf: ein Profi-Killer (Jason Statham) wurde vergiftet und kann sich nur am Leben halten, indem er seinen geschundenen Körper pausenlos mit Adrenalin flutet. Der Inszenierung kam nun nur noch die Aufgabe zu, für den fortwährenden Adrenalin-Rausch eine angemessen durchgeknallte Form zu finden. Gerade im Hinblick auf dieses Vermächtnis muss „The Vatican Tapes“ enttäuschen. Zwar lässt sich der beständige formale Overdrive der Vorgänger noch in einigen inszenatorischen Details erkennen, aber nirgendwo entwickelt Neveldine den entfesselten Wahnwitz, der die Filme des Gespanns auszeichnete. Der eine oder andere tracking shot durch ordentlich beklemmend ausgeleuchtete Krankenhausflure (einmal nicht am Boden, sondern unter der Decke entlang) versteht ebenso zu gefallen wie der Umgang mit Split Screens, etwa wenn Angela in ihrem Bett gleichzeitig aus vier verschiedenen Perspektiven zu sehen ist (und es wiederum an dem Dämon ist, durch die Asynchronität der Bilder den Blick zu verwirren). Auch wird der eine oder andere Schockmoment durchaus effektiv in Szene gesetzt. Alles in allem korrespondiert jedoch nur grundsolides formales Handwerk mit dem Inhalt eines Exorzismusfilms von der Stange.
Selbst was den Geschlechterdikurs des Films anbelangt bildet „The Vatican Tapes“ einen deutlichen Rückschritt zu den „Crank“-Filmen (und das obwohl sich gerade „Crank 2 – High Voltage“ im Spiel mit allerlei politischen Unkorrektheiten selbst ein bisschen sehr gefällt). Wo dort Stathams von Amy Smart gespielte Freundin Eve mit ihrer schnoddrigen, bekifften Post-Hippie-Verpeiltheit einen Gegenpol zur adrenalin- und geschwindigkeitssüchtigen Männerwelt schaffen durfte, durch den – nicht nur beim Fick auf der Trabrennbahn im zweiten Teil, sondern immer wieder – produktive Reibung entstand, wo dem bei allem frenetischen Überlebenskampf immer irgendwie todessehnsüchtigen Mann dort eine Frau zur Seite stand, die einfach nur leben wollte (und zwar möglichst gechillt), bleibt Angela als vermeintliche Hauptfigur hier durch und durch be- und gefangen. Sie bleibt ganz ihrer Opferrolle verhaftet, umgeben von einem ganzen Geschwader von Männern, die sie zu retten versuchen.
Wenn das ambivalente Ende wohl von einer Ermächtigungsgeschichte erzählt, dann ist die Frau in dieser nicht Subjekt, sondern Medium, das nicht einmal selbstbestimmt böse sein darf. Sie selbst, wie sie immer wieder für Momente durchleuchtet zwischen den Mächten, die Besitz von ihr ergriffen haben, will vor allem eins sein: nett.