„Die Frau in Schwarz 2: Engel des Todes” fängt gut an. Und das heißt hier: mit ziemlich viel Übel in Überlagerung. Über dem Schwarzbild ertönt ein repetitives Rumpeln, das an Geisterstunde auf dem Dachboden gemahnt. Dann die Aufblende und ein Titelinsert: Wir sind in der Londoner U-Bahn, die 1941 der Bevölkerung als Luftschutzraum dient, und was da über uns rumpelt, sind Bombenabwürfe der Nazi-Luftwaffe.
Da zeichnet sich eine für einen Gruselfilm eigentlich ergiebige Kombination ab: Geschichtstrauma und Spuk, zwei medial bewährte Erzählformen in Sachen Vergangenheit, die nachlastet. Ersteres hat im Zweiten Weltkrieg, zumal in dessen Spielfilm-Bild, seinen mittlerweile prominentesten Ort, zweiteres sein quasi angestammtes Biotop im abgelegenen alten Landhaus, vorzugsweise mit Moor drumherum. Beides kommt in diesem Sequel zusammen (nachdem der äußerst erfolgreiche erste Teil, zugleich Relaunch des Traditionsfilmstudios Hammer, 2012 noch Anfang des 20. Jahrhunderts gespielt hatte). Nicht dass unter den Horrorfilmen, die in den letzten Jahren Motive untoter Monster oder Geister mit dem Unerledigten des Zweiten Weltkriegs verbunden haben, besondere Glanzleistungen zu verzeichnen wären; aber man wird es ja wohl noch immer wieder versuchen dürfen.
In diesem Film haben nun also alle ihre Gespenster. Die aus dem bombenkriegsgefährdeten London ins Moorinsel-Landhaus verschickten Kinder, darunter Kriegswaisen, plagt der Geist einer einst zwangspsychiatrierten Mutter (vermutlich ist es die selbe, die schon in Teil 1 umgegangen ist, der Plot ist da gegen Ende etwas konfus, aber es handelt sich um einen weiblichen Geist, der sehr dunkel gekleidet ist, und deshalb heißt der Film so). Die junge Erzieherin der landverschickten Zöglinge (Helen McCrory) leidet an alptraumhaften Schuldvisionen, weil sie ihren Sohn gleich nach dessen Geburt aufgegeben hat. Der fesche Pilot (Jeremy Irvine), der immer wieder auf Besuch vorbeischaut und mit der Erzieherin hölzerne Dialoge verrichtet, hat massive Gewissensbisse als einziger Überlebender eines Air Force-Absturzes.
Ansonsten ist alles Attrappe und Adoption. Attrappe, das gilt für die Räume in diesem Film: ein halbverfallenes Landhaus, bei dem der Vermieter so tut, als wäre es für Schulkinder bewohnbar; versperrte Zimmer, deren Türen sich plötzlich öffnen und unwiderstehlichen Drang zum Betreten hervorrufen; traumatische Räume, die sich als bloße Träume entpuppen; schließlich die Attrappe eines Militärflugplatzes, zwecks Täuschung der Deutschen errichtet – ein hübsches Stück Ausstattung, als Spukschauplatz jedoch vergeigt. Die Adoption, das ist in dieser britischen Produktion die bevorzugte zwischenmenschliche Beziehungsform: Die Heldin, die ihr Neugeborenes zur Adoption freigab, adoptiert den eben erst zum Waisen und noch dazu stumm gewordenen Buben in der allmählich schrumpfenden Schulklasse; ihre verbitterte Vorgesetzte spielt sich als gestrenge Ziehmutter für die Kinder und gleich auch noch für die Heldin auf; die Titelfigur will überhaupt reihum alles, was da schlecht schläft und in alten Gemäuern stöbert, unter ihre jenseitsmütterlichen Fittiche nehmen. Kein Wunder, dass aus der angedeuteten Romanze zwischen Heldin und Pilot nix wird (können sie einander doch nicht adoptieren).
Jedenfalls ist hier ein Mann im Einsatz für Kinder und Frauen und sind Frauen am Start als Ersatz für Mütter, die abwesend oder verwest sind, und… – Moment, das ist jetzt aber zuviel des Übels in Überlagerung, vor allem zuviel der üblen Gender-Stereotype! Vielleicht reicht es jetzt auch langsam mit Spukfilmen, die unter Waisen und überforderten Müttern spielen. (Und die entsprechend gelagerten „The Others“ und „The Awakening“ – auch sie Verknüpfungen von Krieg und Spuk, konkret Kriegsende 1945 und Traumata des Ersten Weltkriegs – waren um einiges besser.)
Besonders viel Vertrauen auf seine Eignung als Grusel-Tool legt „Die Frau in Schwarz 2“ aber eh nicht an den Tag. Warum sonst würde die Regie von Tom Harper sich in Spannungsszenenzersäbelung per Parallelmontage flüchten ('Währenddessen, nicht weit entfernt…') und am Ende Actionhektik schinden, ja sogar ProtagonistInnen mit Geistern raufen lassen (ein absolutes No-Go). Von allem, was den ersten Teil zu einem so schlicht unheimlichen Film gemacht hat – Sorgfalt in Ausstattung und Lichtsetzung, Reduktion in Rhythmus und Plot, Freude am Einrichten von Anblicken, die dem Auge Fallen stellen, schließlich: Daniel Radcliffe –, bleibt nur Erinnerung. Und die stellt sich angesichts dieses Abräumersequels weder traumatisch noch spukhaft ein, sondern mit einem Seufzer.