Fast schon genremäßig dramatisch geht’s los: Oskar (Tom Lass) hat sich von seiner toughen Freundin Alex (Martina Schöne-Radunski) getrennt; weshalb diese ihm, als wütendes Girl mit Benzinkanister, die Bude abfackelt. Ganz abstrakt züngeln Flammen, ein wuchtiger Beat hämmert dazu und der Schriftzug „Kaptn Oskar“ erscheint auf der Leinwand. Dieser grell überzeichnete Ausgangspunkt ist natürlich eine Parodie in einem auch sonst eher spielerischen Film, den der Schauspieler und German Mumblecore-Regisseur Tom Lass mit wenig Geld und viel Improvisation, kreativer Lust und überbordendem Freiheitsdrang gedreht hat. Darin driftet Slacker Oskar, gedopt oder gedämpft oder im labilen Gleichgewicht gehalten von Bier, Jägermeister, Wodka und Zigaretten durch den ziellosen Alltag einer gezielten Nichthandlung. Auch wenn Oskar nichts zu tun hat und in einem vergammelten Kellerloch haust, wo die Tapeten aus Zeitungspapier bestehen und Ravioli aus der Dose das Klischeebild eines Lebensgefühls sind, geht es in „Kaptn Oskar“ weder um soziale noch gesellschaftliche Probleme.
Eher um zwischenmenschliche: Denn auf die krasse Alex mit Berliner Schnauze und Hang zum wüsten Sex folgt die eher sanfte, schutzbedürftige Masha (Amelie Kiefer), die Oskar in der U-Bahn aufgabelt und die sich ebenso einsam fühlt wie der Titelheld. Zwar hat diese Sex mit älteren Männern, aber damit scheint Masha vor allem den Verlust väterlicher Nähe zu kompensieren. In ihrer freundschaftlich-geschwisterlichen Liebesbeziehung mit Oskar verabreden die beiden, sich „nicht zu küssen“ und auch „nicht miteinander zu schlafen“. Weshalb ihr mal zärtliches, mal kindlich-verspieltes Zusammensein die Unschuld und Offenheit des ersten Mals atmet, auch wenn sich Oskar, neben Masha liegend, manchmal einen runter holen muss. Ansonsten aber spinnen die beiden ausgelassen rum, betrinken sich, putzen zusammen ihre Zähne – überhaupt erscheint alles Orale, Flüssige und Fließende fast schon obsessiv -, gehen baden an einem See oder kurven mit Inlineskatern um irgendwelche Container.
Schließlich geht es im Kombi und mit Zelt auch noch für ein paar Tage raus aus Berlin, um Abstand zu gewinnen und den Kopf zu durchlüften. Tatsächlich sprechen Oskar und Masha plötzlich kurzzeitig bayrisch und fühlen sich „komplett frei“ „wie zwei Vögelchen“. Man spürt darin die Lust an der Improvisation, am unkonventionellen Spiel und an irgendwie „natürlichen“ Dialogen, die weder das Alberne noch das Peinliche scheuen, um festgelegte Phrasen ironisch zu brechen. Daraus entstehen zwar viele heitere Momente zwischen dem femininen Kindskopf Oskar und der merkwürdig verloren und anhänglich wirkenden Masha; trotzdem ist „Kaptn Oskar“, verstärkt durch die Musik von Justine Electra und Sol Seppy, ebenso melancholisch getönt. Zusammen fühlen sich die beiden manchmal allein oder wissen nichts mit sich und dem anderen anzufangen. Szenisch gebaut und auf eine herkömmliche Dramaturgie verzichtend, lässt Tom Lass in seinem zweiten Langfilm nach „Papa Gold“ auch inhaltlich manches offen. Eine mehrmals wiederkehrende (Traum-)Sequenz zeigt jedenfalls eine nächtliche Straße im Scheinwerferlicht, die ins unbestimmte Dunkel führt und Mysteriöses evoziert.