Das Kunsthistorische Museum in Wien „zählt zu den größten und bedeutendsten Museen der Welt“ (Wikipedia). Es verfügt über so berühmte Werke wie Vermeers Malkunst, oder den Turmbau zu Babel von Pieter Bruegel dem Älteren, oder jetzt auch wieder über die Saliera Cellinis, welche es vor einigen Jahren zu tatsächlicher, also massenmedial tauglicher Berühmtheit brachte, als sie durch einen spektakulär anmutenden Raub, den das FBI immerhin zu den „Top Ten Art Crimes“ zählt, von ihrem ordentlichen Ort entfernt wurde. Was sich dann als weitaus weniger spektakulär und vielmehr absurd erwies, ist die Tatsache, dass das Spektakel von der Wachmannschaft verschlafen und die Lücke, die es hinterlassen hat, erst durch die Reinigungskraft bemerkt wurde. Dabei hatte das goldene Salzfass schon seit seiner Entstehung eine bewegte Geschichte hinter sich, und auch seine Entstehung stand ganz und gar im Zeichen des wirren Lebenswandels seines Fertigers, des Bildhauers Cellini (der weitaus mehr als nur Bilder, sondern bereitwillig auch in Gesichter haute).
Aber es muss nicht so weit ausgeholt werden, um die Autorität des Museums befragen zu können. Johannes Holzhausens grandioser Dokumentarfilm „Das große Museum“ erzählt solche Dinge nicht, sondern seziert die verschiedenen Schichten jener Räumlichkeiten, welche die Werke in den Wirren ihres Wandels stabilisieren sollen. Das ist beinah wörtlich zu nehmen, kreist der Film vor allem um die Renovierungsarbeiten der Kunstkammer, eine umfangreiche Sammlung zu der auch Cellinis Saliera zählt, und die nach mehr als zehnjähriger Schließung im vergangenen Jahr unter viel Aufmerksamkeit – vielleicht nicht ganz so viel wie nach dem Raub – neu eröffnet wurde.
Ein anfänglicher Kameraschwenk von der Hofburg innerhalb der Wiener Ringstraße zum Kunsthistorischen Museum gegenüber und außerhalb derselben legt die historische Verzahnung politischer Macht mit Kunst nahe, welche ihre Entstehung und Konservierung garantiert und im Gegenzug von derselben repräsentiert wird. Dass diese Repräsentationen heute vor allem Kassenschlager sind, wird dann in weiteren Folge und nicht unlustig aufgedeckt. Das Museum wandelt sich, geht mit der Zeit, um seine Exponate zu erhalten. Nahe legt dies schon die bereits im Trailer zitierte Weisheit Giuseppe Tomasi di Lampedusas („Es muss sich alles ändern, damit alles bleibt, wie es ist“), die Visconti so eindrucksvoll in Bilder übersetzte; sind es bei ihm allerdings die politischen Ordnungen, die einander ablösen und in denen die Mächtigen ihre Positionen zu halten trachten, schauen wir hier den Restauratoren bei ihren erhaltenden Arbeiten über die Schulter, verfolgen die ökonomischen Debatten der Museumsleitung, hören den Lärm der Bauarbeiter, die die Wände abtragen, oder bekommen gezeigt, wie mit Staub und Ungeziefer umgegangen wird (aber auch die zeitgenössische Bindung des Museums zur Politik wird dokumentiert).
Solcherhand bekommt die Heiligkeit des Museums Risse: einfach, indem ihre profanen Seiten aufgedeckt werden. Vor allem der Schnitt erweist sich hier als exzellenter Komplize, der diese agonalen Elemente meist komisch auflöst. Kennen wir nicht alle diese Kindheitserfahrungen, sei es durch die Schule, sei es durch die Familie, in denen ein gleichermaßen faszinierter wie seriöser Erwachsener uns durch die sakralen Räume geschliffen hat und zugleich zur ständigen Ruhe gemahnt hat? In Johannes Holzhausens Film gibt es Arrangements, die vielleicht all das, was wir damals unterdrückten, wieder aufleben lassen.
Die Perspektive, die dabei eingenommen wird, gibt sich zurückhaltend und bleibt bei aller räumlichen Nähe den Dingen auf Distanz. Das Off bleibt stumm, kein Erzähler schildert uns die großen Zusammenhänge und Bedeutungen der Räumlichkeiten. Zusehends bekommt man das Gefühl, dass es die Kamera selbst ist, die spricht. Dergestalt gewährt „Das große Museum“ nicht nur einen Blick hinter die Kulissen eines großen Museums, sondern entfaltet einen Dialog zwischen dem Medium Film und einer Institution, die Bilder auf ihre eigene Weise ordnet, exponiert oder fast aktengleich schichtet.