Im neuen Sacha-Cohen-Film fällt die Scheiße vom Himmel und in der UNO schwappt die Pisse auf die Politiker. Ich find‘ es einfach nur herrlich. Mindestens so herrlich wie den Diktator Aladeen (Cohen), der natürlich diktatorenmäßig den Anforderungen seiner Umwelt nie gerecht wird und deshalb so etwa jeden zweiten, mit dem er zu tun hat, hinrichten lässt.
Diktatoren, so lautet das Klischee, sind meist dunkelhaarig, bärtig und haben schicke Uniformen an. Cohen unternimmt nichts, um gegen dieses Klischee vorzugehen, er versucht, wie es eben auch bei Ali G In Da House, bei Borat und Brüno seine Art war, das Klischee überzuerfüllen, und dabei nebenbei jede Menge Lachreflexe zu produzieren, wobei das Lachen ihm wichtiger zu sein scheint als die allzu treffende und entlarvende Karikatur.
Cohens „Diktator“, Herrscher des Wüstenstaates Wadiya, ist nicht unbedingt die Summe aller bekannten Diktatoren, er ist vor allem großes und infantiles Kind, das, wenn es ein Spielzeug nicht bekommt, stinkig wird. Weil ein Ingenieur eine Atomrakete nicht in spitzer Form baut, lässt er ihn hinrichten, und bei seiner privat veranstalteten Olympiade nimmt er die Startpistole gleich selbst in die Hand, auch weil er damit jeden, der ihn überholen könnte, praktischerweise mitabknallen kann.
Eine entscheidende Wende in Aladeens Leben tritt ein, als er bei einem Staatsbesuch in New York gewaltsam seines Amtes enthoben, seines Bartes und somit seiner Identität beraubt wird, und er einen Job als Ökoladen-Verkäufer antritt. Er verliebt sich tatsächlich in eine Feministin, Veganerin, Antifaschistin und was frau noch so alles an in sein kann, mit – und das schlägt beim Kinopublikum dem Fass den Boden aus – real existierender Achselbehaarung. Wellen des Ekels bestürmen den Cineplexx-Saal und Cohen kennt die neuzeitliche Haar-Phobie seiner Pappenheimer und walzt das Thema Scham- und Achselbehaarung genüsslich aus. Interessanterweise erträgt das Publikum Exkremente, Urin und sogar Leichenteile (an nichts davon mangelt es dem „Diktator“) leichter als den Anblick einiger weniger gekräuselter Haare.
Tabu für Tabu checkt Cohen in seinem Film ab, und wo er Empfindlichkeit wittert, da geht er noch einmal so gern zur Sache. Dies gelingt Cohen in „Der Diktator“ besser und runder als in seinem letzten Spielfilm „Brüno“, der offenbar darunter gelitten hatte, dass in ihm „Opfer“ einkalkuliert waren, reale Personen, keine Filmfiguren, die mit Cohens z.T. brüskierenden Grenzüberschreitungen konfrontiert, in Schockzustände versetzt wurden. Cohens in seiner TV-Serie erfolgreich etablierte Provokation rassistischer, homophober oder anderer intoleranter Tendenzen seiner Gesprächspartner funktionierte in „Brüno“ nicht mehr richtig, entweder weil Brünos „Belastungstests“ auch jeden toleranzfähigen Bürger geschockt hätten oder aber, weil sie bei Cohens Bekanntheitsgrad definitiv nicht mehr unter neutralen und unverfälschten Testbedingungen gefilmt worden sein konnten.
Cohens und Regisseur Larry Charles‘ Konsequenz nun liegt darin, „Der Diktator“ als rein fiktiven Film konzipiert zu haben, und die in den vorigen Filmen zum Teil schon weit entwickelten und spielerischen, satirischen und überzeichnenden Ideen über den kompletten Film zu verteilen. Dadurch entfernt sich Cohen einen entscheidenden Schritt von seiner Art investigativem Journalismus‘ hin zur satirischen Komödie, mit ihm als Clown der Perversion, die einmal mehr auch hier eher die einer analen Phase als die eines blutigen Machtabusus‘ ist.
Die inflationäre Ausscheidungshäufung aber tut dem ganzen großen Spaß keinen Abbruch, im Gegenteil ist es sehr erfreulich, wie konsequent Cohen nicht davon lassen kann und will, und es macht ungeheuer Spaß mit Cohen zusammen zu regredieren. Kritiker haben dem Film „eine für eine gelungene Zivilisationskritik fehlende konzeptuelle Schärfe“ vorgeworfen. Ich interpretiere seine Nichtbereitschaft, den Diktator, wie man es wohl allgemein von Cohen erwartet, in irgendeiner vorausgesetzten Grässlichkeit auf einen Punkt zu bringen, als Verweigerung politisch korrekter politischer Inkorrektheit. Gerade wegen dieser Verweigerung haben Sacha B. Cohen und Larry Charles einen anarchischen, runden, und sehr witzigen Film zustande gebracht.