In einer nicht näher bestimmten Zukunft hat eine neue Generation von Onlinespielen die herkömmlichen Computerspiele abgelöst. Hier lenken die Teilnehmer echte Menschen als Avatar. Neben 'Society', einer pornografischen Variante von Second Life, ist 'Slayers' das erfolgreichste Format. Es ist ein 'Killerspiel' im wahrsten Sinn des Wortes, bei dem zum Tode Verurteilte als moderne Gladiatoren auf Leben und Tod antreten. Unangefochtener Held der Cyber-Arena ist der stoische Kable (Gerard Butler). Vom Teenager Simon (Logan Lerman) gesteuert, werden seine Kämpfe von Millionen weltweit live verfolgt. Um seine Familie zu retten, muss Kable jedoch einen Ausweg aus der virtuellen Fremdbestimmung finden und den exzentrischen Spieledesigner Ken Castle (Michael C. Hall) stellen.
'Gamer' ist eine Film gewordene Jungsfantasie: hyperaktiv, grell und laut, passagenweise so düster wie ein Marilyn-Manson-Videoclip, dann wieder bis in die schreienden Neonfarben der Pop-Art überzeichnet. Erklärt geschmacklos ist das Ganze obendrein. Mehr noch als in ihren 'Crank'-Filmen (2006/09) mit Martial-Arts-Star Jason Statham mischt das Regisseurs- und Autorenteam Mark Neveldine und Brian Tylor Sex, Gewalt und Obszönitäten, alles zusammengeleimt durch zynischen Humor. Ob einem das gefällt, ist ganz eindeutig eine Geschmacksfrage. Deutlich auf die Sehgewohnheiten eines jungen Publikums zugeschnitten, ist 'Gamer' auch eine logische Weiterentwicklung der 'Crank'-Filme. Trat dort Statham als lebender Toter in einer hyperrealen Comicwelt an, in der Stillstand den Tod bedeutet, so ist der neue Film mit Gerard Butler als Online-Gladiator gleich in einer weitgehend virtuellen Welt angesiedelt.
Motivisch bedient sich diese Anti-Utopie bei Science-Fiction-Werken wie 'Rollerball' (1975; Norman Jewison), 'The Running Man' (1987; Paul Michael Glaser) und 'Robocop' (1987; Paul Verhoeven). Aber wo zumindest Verhoevens 'Robocop' eine boshafte Satire bot, da läuft die mit dem Vorschlaghammer vorgetragene Gesellschaftskritik hier nur ins Leere. Ärgerlich ist vor allem der pseudo-moralische Gestus, mit dem vorgegeben wird, dem voyeuristischen Spielepublikum den Spiegel vorzuhalten. Dabei ist es gerade die virtuose Action- und Gewalt-Inszenierung, durch die der harte Reißer das Kinopublikum unterhält.
Tatsächlich gelingt es Neveldine und Tylor in den mit Reißschwenks und digitalen Pixelfehlern inszenierten Kampfsequenzen, sich der Ästhetik moderner First-Person Ego-Shooter anzunähern. Hier, in den an Computerspiel-Levels angelehnten Wettkampfarenen, feiern die Regisseure Kino als Kunst purer kinetischer Energie; ein Rausch der Bewegung, in dem der rasante Schnitt und die extrem agile Kamera den Eindruck von Unmittelbarkeit erzeugen. Doch der visuelle Overkill kann letztlich die dramaturgischen Schwächen kaum kaschieren. Als Science-Fiction-Dystopie bleibt 'Gamer' weit hinter seiner guten Ausgangsidee zurück, als zynischer Unterhaltungsfilm wird er von 'Crank' um Längen übertroffen. Und als innovative Fusion von Computerspielästhetik und Kino verblasst er sowieso im Schatten von James Camerons 'Avatar'.
Dieser Text ist zuerst erschienen auf: www.br.de