“Es gibt Dunkelheit und Licht, Männer und Frauen”, hebt eine allwissende Erzählerstimme aus dem Off des Films an, während eine assoziative Montage das vielgestaltige Dasein als schier endlosen Bilderstrom visualisiert. Die Rede in Gegensätzen und ihr globaler Bezug zielt in David Mackenzies Film „Perfect Sense“ auf „die Welt, wie wir sie uns vorstellen“, gewissermaßen auf ihre Vollständigkeit. Dass darin trotzdem nicht immer alles zum Besten bestellt ist, dass Mangel und Entbehrung, Verletzung und Schmerz mitunter bedrohliche Ausmaße annehmen, gehört zu dieser vorgestellten Fülle dazu. So leiden etwa Michael (Ewan McGregor) und Susan (Eva Green) – jeder auf seine Art und aus unterschiedlichen Gründen – an einem Mangel an Liebe und Beziehungsfähigkeit. Das Leben ist für den Glasgower Chefkoch und die Epidemiologin unvollständig, auch wenn sie scheinbar alles haben. Der Wert der Fülle ist ihnen verschlossen. Als sie sich begegnen, geschieht dies gerade noch rechtzeitig, denn eine Menschheitskatastrophe wirft ihre dunklen Schatten voraus.
Diese beginnt mit einem Verlust des Geruchssinnes, der begleitet wird von einer Trauer über die Versäumnisse des Lebens; als müsste den Menschen zuerst etwas genommen werden, damit sie dessen Wert erkennen. Auch in den darauf folgenden Krisen, in denen die Menschen Schritt für Schritt ihre zentralen Sinnesempfindungen einbüßen und damit ihre Zugänge zur Welt, geht dem jeweiligen Verlust ein heftiger emotionaler, aus dem Unterbewusstsein aufsteigender Ausbruch voraus. Das Verschwinden des Geruchssinns wird eingeleitet von einer rasenden, großer Angst entspringenden Völlerei. Vor dem Verlust des Hörsinnes toben sich die Betroffenen in wüsten, anarchischen Wutausbrüchen und hasserfüllten Zerstörungsorgien aus. Und bevor die Menschen schließlich ihre Sehkraft verlieren und in die Dunkelheit versinken, erleben sie noch einmal tiefe Glücksmomente.
David Mackenzie inszeniert diese apokalyptische Vision aus der subjektiven Perspektive seiner Protagonisten, die im Verlauf der Epidemie allen Desillusionierungen zum Trotz die Liebe füreinander entdecken beziehungsweise neu lernen. Den gesellschafts- und zivilisationskritischen Aspekten seines Stoffes, der unterschiedliche Verschwörungstheoretiker auf den Plan ruft, begegnet er mit wechselnden Überlebensstrategien und phantasievollen Kompensationsleistungen seiner Helden. „Das Leben geht weiter“, lautet trotzig ein wiederkehrender Satz. An die Stelle der Sinnesempfindung tritt die Vorstellungskraft, die neue Eigenschaften entdeckt und mit Erinnerungen verknüpft. Aber auch wo die Erfahrung fehlt oder Ausschließung droht, bleibt etwas übrig, was die Erzählerin des Films als real erfahrene Gegenwart des Lebens, als menschliche Liebesfähigkeit und spirituelle Sehnsucht umschreibt. Im Klammergriff der unheilvollen Katastrophe tritt dieser „vollkommene Sinn“ nur deutlicher und nachdrücklicher ans Licht.