Ein spielerischer Wettstreit zwischen Vater und Sohn eröffnet den Film: Wer kann die Luft unter Wasser länger anhalten, der 55-jährige Adam (Youssouf Djaoro), ehemaliger zentralafrikanischer Schwimmmeister, oder der 20-jährige Abdel (Diouc Koma)? Übermütig und gleichberechtigt, als gäbe es keinen Altersunterschied, ringen die beiden miteinander im Swimmingpool eines Luxushotels der tschadischen Hauptstadt N’Djamena, wo Adam seit dreißig Jahren als Bademeister arbeitet. Noch kann es sich Abdel leisten, den Vater gewinnen zu lassen, doch bald wird aus dem Spiel Ernst, und Vater und Sohn verwandeln sich in erbitterte Rivalen. Als im Zuge der Hotel-Privatisierung Stellen gestrichen und langjährige Mitarbeiter entlassen werden, gerät auch der von allen „Champion“ genannte Adam unter Druck: Er muss seinen Arbeitsplatz seinem bisherigen Gehilfen Abdel überlassen und sich fortan als Schrankenwärter verdingen.
„Der Pool ist mein Leben“, kommentiert Adam fassungslos diese demütigende Degradierung. Regisseur Mahamat-Saleh Haroun reflektiert in seinem preisgekrönten Film „Un homme qui crie“ (Ein Mann, der schreit) diese einschneidende Veränderung als Symptom einer neuen Zeit und als Folge der Globalisierung, die auch vor den Ländern Afrikas nicht Halt macht. Und er übersetzt sie in teils deutlich gezeichnete Kontraste: So muss der „Champion“ seine weiße Kleidung gegen eine graue, zu kurz geratene Uniform eintauschen; sein Stresspegel erhöht sich merklich; und das firmeneigene Motorrad mit Beiwagen wird jetzt von seinem Sohn gelenkt. Resigniert versinkt Adam in einer tiefen Depression, die sich zu einer Identitätskrise auswächst. Aber fast noch schwerer wiegt das lastende Schweigen zwischen Vater und Sohn, das sich wie ein dunkler Schatten über die Familienbeziehungen legt.
Mahamat-Saleh Haroun inszeniert dieses innere Drama in langen, statischen Einstellungen und gewinnt gerade dadurch emotionale Tiefe. Verschärft und zugespitzt werden die psychischen Konflikte, als Abdel von der Armee, die sich im Bürgerkrieg gegen Rebellen befindet, zwangsrekrutiert wird. Adam nimmt wieder seinen alten Platz ein, doch eine Ahnung seiner schuldhaften Verstrickung legt sich immer deutlicher über die Szenen. Die Dynamik einer zunehmend chaotischer werdenden Außenwelt dringt in die Bilder. Opfert der Vater seinen Sohn? Geschickt verschränkt Haroun private und politische Tragödie und spart dabei auch religiöse Fragen nicht aus. Während Adam gegenüber seiner Frau einmal resigniert feststellt: „Vom Himmel ist nichts zu erwarten“, sagt sein weniger skeptischer, doch immer mutloser werdende Freund David, der entlassene Hotelkoch mit dem großen, aber kranken Herzen: „Ich bin gläubig, aber ich verliere langsam die Hoffnung.“