Ein emotional eingefrorener Tiefkühlkostlieferant wird aus seiner zynischen Starre gerissen, als ihm die neue Chefin einen Beifahrer in den Lieferwagen setzt, den er innerhalb zweier Wochen zum Verkäufer schulen soll – ansonsten sei er seinen Job los. Nun ist Teamgeist gefragt – doch der Misanthrop ist naturgemäß wenig begeistert von seinem geradezu aufdringlich lebenslustigen Kollegen. Nach und nach jedoch taut er auf, freundet sich an, interessiert sich sogar für das Lächeln seiner Chefin. Doch damit fangen die Probleme erst an …
Sommerzeit: Komödienzeit. Die idealen Voraussetzungen für einen Film, der so sehr auf offensichtlichen Gegensätzen aufbaut, wie „Arschkalt“. Denn schließlich geht es in ihm um das große Auftauen, die Resozialisierung des zwischenmenschlich vergletscherten Rainer Berg (ein souveräner Herbert Knaup), der den Betrieb des Vaters in den Ruin geführt hat, dessen Frau schon lange davongelaufen ist, und der sein Dasein zwischen Mietwohnung im unpersönlichen Hochhausklotz und Industriegebiet fristet. Dieser Mann hat sich in die innere Isolation zurückgezogen, und seine kuriose Berufswahl ist freilich völlig plausibel: zwischen Tiefkühlkost, Kühlhäusern und Stunden allein im Lastwagen auf Überlandstraßen hat er für sich eine Nische gefunden, in der er ungehemmt seinem Grantlertum frönen darf. Berg hat sich aus der Solidaritätsgemeinschaft verabschiedet. Doch dann die Erschütterung: Da ist die neue Chefin Lieke (Elke Winkens), die Paroli bietet und gar nicht mal so unsympathisch ist, der Beifahrer Moerer (Johannes Allmeyer aus „vincent will meer“), der mit entwaffnender Fröhlichkeit und nerviger Penetranz zugleich die Kommunikation erzwingt, und schließlich Bergs Vater (Peter Franke), der zum runden Geburtstag die Bewohner seines Altenheimes samt Belegschaft in den alten Familienbetrieb einlädt, und dessen Konkurs Berg Junior schon seit Jahren verheimlicht. Der Protagonist gerät also mächtig unter Druck – und je mehr sich die Horizonte auf dem Weg zurück in die Gesellschaft öffnen, desto größer werden die Konflikte.
„Arschkalt“ ist ein Film, der in beinah allen Aspekten völlig unsubtil ist – und gerade deswegen so ärgerlich. Er traut seinem Zuschauer überhaupt nichts zu. Alles wird ausdiskutiert oder in Worte gepackt – nichts wird mit Bildern erzählt. Zudem werden die Metaphern überstrapaziert, die Darsteller sind unterfordert, der Plot ist meilenweit vorhersehbar. Sein norddeutscher Humor ist, um im Horizont des Films zu formulieren: so flach wie das Land selbst. Erkaus Anliegen mag ehrenwert sein: die Darstellung einer inhuman gewordenen Dienstleistungsgesellschaft, vor der das Individuum frustriert in die Isolation hinein und dem Burnout entgegen fährt. Schon in seinem Film „Selbstgespräche“ (2007) hatte der Regisseur sich des Sujets angenommen. Mit „Arschkalt“ allerdings glückt ihm dies nicht: Anstatt eine bittere Komödie vor einem ernsten Hintergrund zu inszenieren, missbraucht der Film sein Thema. Ihm fehlt jene bissige Abgründigkeit, die den Blick hinter die Oberfläche freigibt, um so das eigentliche Drama ins Zentrum zu rücken. In dieser also letztlich flachen Komödie versandet jede Gesellschaftskritik in stereotypen Unterhaltungs(fernseh)filmkonventionen, die – und das darf man ihm dann doch zugute halten – in einigen wenigen, seltenen Momenten funktioniert; Momente, in denen Herbert Knaups Zynismusdarstellung durchschlägt.
Danach ist wieder zwanghafte Konfliktgenerierung angesagt, was sich beispielhaft an der Figur Moerers, des ungewünschten Beifahres, verdeutlichen lässt. Über ihn gibt es kaum ein Geschichte zu erzählen: Für sich alleine genommen wäre die Banalität der Filmfigur untragbar (Zitat: „Die Welt ist voll geilo! Alles ist möglich!“). Doch in „Arschkalt“ ist diese eine der Hauptfiguren, und es wird in beinah jedem Moment deutlich, dass sie lediglich eine rein konfliktauslösende Triggerfunktion erfüllt, und somit vollständig im Dienste Bergs steht. Ohne Berg kein Moerer. Soviel zur Oppositionsschusterei.
Zu allem Überfluss ist der Film durch kapitelartige Einschübe gegliedert, in denen Berg, morgens im Bett liegend und neben ihm der volle Ascher, in Selbstgesprächen seinen Leidenszustand reflektiert. Hier werden allerlei Tiefkühlprodukte zur Allegoriegestaltung bemüht um seelische Zustände zu beschreiben, die natürlich selbstironisch psychologische Tiefe vorgaukeln sollen – und sich jedoch auf einem Katja-Riemann-auf-Prosecco-Niveau einpendeln: Er sei wie ein Fischstäbchen … ein Leben lang in eine eisige Hülle eingepackt, die nur direkt vor dem Tod mal kurz auftaut. Solche Einführung in Tiefkühlkostphilosophie passt wunderbar zum einzig emblematischen Bild des Films, in dem nach einer Nacht der Trunkenheit die Figuren ihre fragile Existenz akzeptieren und bereit sind, auf ein neues Leben zuzugehen: Im Hof des Lieferbetriebs fängt das Kunststoff-Iglu Feuer. Flammen schlagen hoch, es ist mit Gas gefüllt. Nun wird aufgetaut, und das düstere Ende ist plötzlich ferner, als Berg sich das vorzustellen bereit war. Es bleibt also noch etwas Zeit – auch für weitere Sommerkomödien. Bitte warm anziehen.