Die Gegenwart existiert nicht, sie ist nur eine Illusion. Diese Feststellung des Astronomen Gaspar Galez kontrastiert gewissermaßen die Kindheitserinnerungen des Filmemachers Patricio Guzmán (Jahrgang 1941), ohne diese zu entzaubern. In poetischen Bildern, in Stillleben von Räumen und Gegenständen beschwört der chilenische Dokumentarist zu Beginn seines neuen Films „Nostalgia de la luz“ (Heimweh nach den Sternen) jene „friedliche Zeit“ eines fernen Kindheitsparadieses, in dem es immer nur die Gegenwart gab. Doch dann mischt sich funkelnder Sternenstaub in das Spiel von Licht und Schatten. Leicht und schwebend fällt er in die Bilder und illuminiert sie mit einem sanften Hauch von Ewigkeit.
Woher kommen wir und wohin gehen wir? Immer wieder formen sich aus den Sternbildern faszinierende farbige Ornamente. Die Kraterlandschaft der Mondoberfläche mit ihren Abdrücken und Spuren vermittelt eine Ahnung von Geschichte und ihren undurchdringlichen Geheimnissen. Doch dann kehrt sich die Blickrichtung der Teleskope um; und der blaue Planet schrumpft zu einem braunen Fleck, dessen Trockenheit derjenigen des Mars ähnlich ist. „Verdammte Erde“ sagt der Volksmund zur chilenischen Atacamawüste, dieser toten Landschaft, die zugleich voller Geschichte steckt. Als „offenes Buch der Erinnerung“ birgt sie spätkolumbianische Felszeichnungen und oberirdische Nomadengräber. In der jüngeren chilenischen Geschichte war sie aber auch Schauplatz grausamer Verbrechen: Hier installierte Diktator Pinochet in den Ruinen eines alten Bergwerks ein Konzentrationslager, in dem Regimegegner gefoltert und ermordet wurden.
Dieser gesellschaftlich verdrängten Geschichte und der Suche nach den „desaparecidos“, den Verschwundenen, ist Patricio Guzmán, der selbst viele Jahre im Exil lebte, in seinem essayistischen, visuell eindringlichen Dokumentarfilm auf der Spur. Denn die Toten dürfen nicht vergessen werden: „Diejenigen, die eine Erinnerung haben, sind fähig, in der zerbrechlichen Gegenwart zu leben. Diejenigen, die keine haben, leben im Nirgendwo.“ Während Angehörige seit Jahren mit fast übermenschlicher Beharrlichkeit die Wüste nach Opfern absuchen, ist diese aufgrund ihrer extremen Trockenheit und der damit verbundenen optimalen Beobachtungsbedingungen bevorzugtes Terrain astronomischer Observatorien und ihrer Forschungen. Die „Pforten der Vergangenheit“ öffnen sich an diesem ungewöhnlichen Ort quasi in zwei Richtungen, die sich letztlich miteinander verbinden. Denn das Licht, das die Fernrohre aus einer unglaublich fernen Vergangenheit einfangen, teilt seine Energie mit den Zyklen des irdischen Lebens, seinem Werden und Vergehen.