Tom Tykwer baut in seinem Film eine Versuchsanordnung auf, eingespannt zwischen den Polen von Ausdruckstanz und Petrischale – dem ersten und dem letzten Bild des Films. Zwischen künstlerischer Performance und wissenschaftlicher Analyse porträtiert er drei moderne Menschen der Großstadt: Hanna – Sophie Rois mit gewohnt fahrig-atemlosem Sprachduktus – ist eine Art Hansdampf in allen Gassen, Kulturwissenschaftlerin mit eigener Fernsehsendung, liberal-intellektuell interessiert an Diskursen mit besonders hohem Fremdwortanteil, zudem Mitglied im Ethikrat. Ihr Lebenspartner Simon – Sebastian Schipper, versteckt hinter schwarzumrandeter Brille und Mehrtagesbart – besitzt eine Kunstproduktionswerkstatt am Rande des finanziellen Abgrunds und muss gerade Existentielles durchmachen: die Neuigkeit von der Krebserkrankung der Mutter kommt seiner eigenen Hodenkrebs-Operation zuvor, um mit Hanna darüber reden zu können, sehen sie sich zuwenig. Der fehlende Hoden führt ihn dann in die zärtlichen Hände von Adam, der zuvor schon als Tröster der sexuellen Bedürfnisse von Hanna aufgetreten ist – Devid Striesow mit unergründlichem Lächeln und unverbindlich-bindendem Charme: ein geheimnisvoller Verführer, Stammzellenforscher, Fußballer, Chorsänger, geschiedener Vater, Judoka, Segler: ein facettenreicher Charakter, oberflächlich mit verborgenen Tiefen, auf den sich alle Wünsche und Bedürfnisse projizieren lassen. Hanna und Simon, Hanna und Adam, Simon und Adam – das sind die molekularen Beziehungen, deren verschiedene Gefüge Tykwer untersucht.
Diesem Trio, das der alltäglichen Lebenswirklichkeit des intellektuell-kulturbeflissenen Milieus von Berlin entnommen ist, verleiht Tykwer mit seinem typischen übergroßen, überhöhenden Stilwillen eine zusätzliche, quasi-metaphysische Dimension und umgeht damit elegant die Gefahr des Lächerlichen, das in dieser Dreieckbeziehungskiste steckt. Der manieristischen, beinahe exaltierten Inszenierung, in der Kamera und Musik, Darsteller und Szenenaufbau sich zu übergroßer Stilisierung verstärken, stellt Tykwer die kleine Triade seiner Protagonisten gegenüber. Teils Beziehungskomödie, teils Liebesdrama, teils eleganter Tanz um Themen wie Tod, Krankheit, Liebe und Alltagstrott untersucht Tykwer die Möglichkeiten von Beziehungen jenseits von Kategorisierungen und Konventionalität.
„Abschied vom deterministischen Biologieverständnis“ fordert Adam bei der Verführung Simons – er, der an polypotenten Stammzellen forscht, die sich zu allem weiterentwickeln können, was den Körper ausmacht. Tykwer sieht mit durchaus amüsiertem Blick durchs filmische Mikroskop auf seine Dreierkonstellation, ob und wie sich jeder mit jedem verbinden kann; und gibt einen gehörigen Schuss märchenhafte Utopie dazu, um aus den Reaktionen seiner Elemente zu einer neuen, tripolaren Spezies zu gelangen. Das Ende ist eine Art Rückkehr in ein Paradies der Liebe: das bedeutet zwar den Abschied vom Gewohnten, von der Konventionalität, vielleicht auch von der gesellschaftlich als richtig verstandenen Moral und Sittlichkeit. Doch es ist auch ein Neuanfang voll Liebe und Zusammengehörigkeit. Auf eine etwas verdrehte und unübliche Art fast schon eine Weihnachtsgeschichte.
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