Banksy – Exit Through the Gift Shop

(USA / GB 2010; Regie: Banksy)

'The words of the prophets are written on the subway walls'

Auf jeden Fall ist dies ein Film über Street Art. Über öffentliche Kunst in verschiedenen Formen, als Graffiti, Plakatierung, Schablonendruck, Installation, Skulptur, hineingestellt in den öffentlichen Raum, subversiv, illegal, vandalisierend. Ein Film über die größte Counterculture-Bewegung seit Punk, wie es im Film heißt, über ihre Künstler mit merkwürdigen Pseudonymen wie Swoof, Borf, Buffmonster, Space Invader oder Banksy.

Wahrscheinlich ist dies ein Film von Banksy, dem mysteriösen Engländer, dem berüchtigten Künstler, dem Guru der Street-Art-Subkultur – dessen Identität keiner kennt, der im Film nur aus dem Schatten heraus und mit verzerrter Stimme auftritt; der sich selbst ein Denkmal setzt mit diesem Film, mit dieser Selbststilisierung.

Möglicherweise ist die Story, die der Film in Form einer Dokumentation erzählt, wahr: Dass ein Franzose in L.A. namens Thierry Guetta mit ausgeprägter Kameraobsession ca. 1999 in den Genuss kam, beobachtender Teilnehmer der Street-Art-Szene zu werden, dass er die ganzen Aktionen auf Video aufnahm, sich mit den Großen der Szene anfreundete und schließlich auf den geheimnisvollen Banksy traf, der ihn in seinen Freundeskreis aufnahm. Den er filmen durfte, trotz der ostentativen Geheimniskrämerei, wobei er das Videomaterial mehr als dilettantisch bearbeitete, woraufhin er 2008 in L.A. selbst zum Street-Artist wurde, mit betont kommerziellem Anspruch freilich, wodurch er die Kunst denunzierte und bedeutungslos machte.

Vielleicht aber ist dieser Plot-Aufhänger nur ein Fake, alles gestellt, um damit eine verdrehte, aber authentische Sicht in die Bewegung zu geben, die sich dabei mit der Aura des Geheimnisvollen umgibt, des Wahrhaftigen, des Unkommerziellen, des reinen Kunstwillens gegen jede Hindernisse – immerhin ist ja alles illegal, was da geschaffen wird. Vielleicht will Banksy mit seinem Film auf hintergründige Weise einen Diskurs führen über Kunst und Kommerz, über Kopie und Original, über Wahrhaftigkeit der Kreativität und Verrat durch Banalisierung.

Eventuell ist der Film aber auch Teil eines Zickenkrieges innerhalb der Szene, mit dem Banksy, der Londoner, den LA-Street-Art-Newcomer Mr. Brainwash a.k.a. Thierry Guetta als dilettantischen Leerkörper denunziert, als reinen Geschäftemacher, der nichts in der Birne hat, völlig inkompetent ist, mit freilich glücklichem Händchen für den richtigen Zeitpunkt, um mit seinem rein epigonischem Werk, das ans Plagiatorische grenzt, Millionen zu scheffeln.

Laut Presseheft ist der Film eine „hintergründige Satire über die Mechanismen von Kunst und Kommerz. Was zunächst ein lustiger Pannenfilm mit Szenepotential zu sein scheint, offenbart sich formal und inhaltlich als intelligentes Spiel um Inszenierung und Realität […], das die letztlich unlösbare Frage nach der Kunst im Zeitalter von Copy & Paste auf völlig neue Art stellt.“ Wobei die vorletzte Seite des Pressematerials herausgerissen wurde – ein Marketinggag um die eventuellen Geheimnisse, die auf dieser Seite standen und nicht offenbart werden sollen?

Man kann nicht recht schlau werden aus dem Film: um deutliche Satire zu sein, sind die Gags – ein tollpatschiger Thierry – zu subtil, zu plausibel eingebaut. Um eine echte Geschichte zu erzählen, ist es auf die Dauer von 87 Minuten etwas langweilig. Immerhin: die unaufgelöste Multivalenz, die Unauflöslichkeit der wahren Intentionen des Films, verhindert genau dies. Und: den Einblick in die Street-Art-Subkultur und die Dokumentation vieler Kunstwerke – deren Lebenszeit ja nur wenige Stunden bis zu ihrer amtlichen Entfernung dauert –, diesen primären Anspruch des Films erfüllt „Exit Through the Gift Shop“ ganz eindeutig.

Benotung des Films :

Harald Mühlbeyer
Banksy - Exit Through the Gift Shop
(Banksy - Exit Through the Gift Shop)
USA / Großbritannien 2010 - 87 min.
Regie: Banksy - Drehbuch: Banksy - Produktion: Holly Cushing, Jaimie D’Cruz, James Gay-Rees - Bildgestaltung: Jerry Henry, Todd Mazer - Montage: Tom Fulford, Chris King - Musik: Roni Size - Verleih: Alamode - FSK: ab 6 Jahren - Besetzung: Banksy, Thierry Guetta, Shepard Fairey, Rhys Ifans, Space Invader, Joshua Levine
Kinostart (D): 21.10.2010

IMDB-Link: http://www.imdb.com/title/tt1587707/
Foto: © Alamode