Ein kleiner Junge, Miko, wird ins Traumland geschleust, um dort dem Schurken Habumar etwas wegzunehmen: den Traumsand des Sandmännchens nämlich, den der Bösewicht dem Sandmännchen gestohlen hat, um ihn in Alptraumsand zu verwandeln. Miko muss durch verschiedene Traumebenen reisen, durch verschiedene Traumlandschaften, in denen alles versammelt ist, was Kinder je einmal geträumt haben, und er erlebt unter ständiger Gefahr ein fantastisches Abenteuer – eigentlich ist der Sandmännchenfilm so etwas wie eine Kinderversion von „Inception“.
Die Regisseure Sinem Sakaoglu und Jesper Moeller erschaffen fantastische Traumlandschaften in diesem Puppenanimationsfilm, eine Schokohasenlandschaft, eine Stadt mit Spielzeug- und Musikinstrumentbewohnern, auf dem Marktplatz ein Huhnbrunnen, der Seifenblasen produziert; die Bandenmitglieder des bösen Habumar sind bissige Mensch-ärgere-dich-nicht-Figuren, auf der Landstraße stehen zwei große Teddybären, die seilspringen, im Kirschblütenwald tauchen Fische auf, die das Kaperfahrt-Lied singen, und der Sandmann hat ein Zauberauto, das auf Sprungbeinen hüpfen kann, das zu Hubschrauber, Eisenbahn oder Schiff werden kann. Habumar ist ein böser Wirbelsturm, der es auf die süßen Träume der Kinder abgesehen hat: er ist ein wirklich interessanter Bösewicht, kindgerecht genug, um keine bösen Nächte zu erzeugen, aber auch unheimlich und spannungsheischend genug, um den Film nicht in allzu glatte und seichte Schönewelt-Unterhaltung gleiten zu lassen. Die Zielgruppe ist schließlich das Sandmännchen-Publikum des Fernsehens; und sie wird ihre Freude haben an diesem ersten nachmittagfüllenden Kinofilm.
Außer der Hauptfigur hat der Film wenig mit den allabendlichen kurzen Sandmann-Gutenachtgeschichten zu tun: Das Sandmännchen selbst steht im Mittelpunkt der Handlung, ist nicht nur ritueller Teil der Rahmenhandlung. Wichtigste Neuerung dabei: die Sandmännchenfigur spricht. Volker Lechtenbrink leiht ihr seine tiefe Stimme – das soll Alter und Weisheit des Sandmannes ausdrücken, widerspricht aber etwas dessen trotz weißem Haar und langem Bart jugendlich-frischem Aussehen. Aber das ist ein nebensächliches Detail – ebenso, wie dass die Realfilm-Sequenzen recht dilettantisch aussehen (gemessen am Standard „normaler“ Kinoproduktionen, die nicht zuallererst einmal Puppentrickfilme sind), oder dass der Fortgang der Geschichte mitunter etwas zu willkürlich erscheint, was nicht mehr mit einer intendierten sprunghaften Traumlogik erklärt werden kann. Oder dass das Schlafschaf Nepomuk, das Miko und den Sandmann begleitet, auf die Dauer die erwachsene Aufsichtsperson doch etwas nervt: Seine Konzeption scheint an Jar Jar Bings orientiert zu sein, nun ja: das erzeugt billige Lacher bei den Kleinen. Die Großen werden dafür mit der Freud-Parodie einer Wiener Schnecke entschädigt, die sich in tiefsinnig-sinnlosen Traumdeutungen ergeht.
„Das Sandmännchen – Abenteuer im Traumland“ ist lustig, spannend, zielgruppengerecht, ohne dass es den Erwachsenen langweilen würde: und von daher genau richtig als Kinderfilm. Und ein gutes Aushängeschild für die deutsche Animationsfilmindustrie.