Die Reise zum Mond ist eines der am häufigsten aufgegriffenen Motive der Science-Fiction-Filmgeschichte. Man könnte sagen, dass das Genre mit Georges Méliès‘ „Le voyage dans la lune“ (1902) sogar seinen Beginn genommen hat. Dass unser Trabant so häufig zum Gegenstand kultureller (nicht nur filmischer) Fiktionalisierungen geworden ist, hat sicherlich auch mit der Sehnsucht zu tun, die die Menschen ergreift, wenn sie den Mond sehen, der so nah und doch so unerreichbar fern ist. Insofern erscheint es nicht unplausibel, dass die realen Mondfahrten zu einem gewissen Teil auf fiktional „getriggert“ gewesen sein mögen. Aber auch jetzt, wo der Mond längst von Menschen erreicht ist, hat er als Projektionsfläche für utopische Wunschträume nicht ausgedient. Das zeigt Duncan Jones in seinem Regiedebüt „Moon“ – und er zeigt auch, dass jede Utopie, wie der Mond selbst, eine dunkle Rückseite besitzt.
In Jones‘ Film ist die Menschheit dank eines ausschließlich auf dem Mond vorkommenden Erzes von allen Energieproblemen befreit. Dieses Erz wird automatisch abgebaut und regelmäßig zur Erde transportiert. Lediglich ein Mann muss in der lunaren Station Dienst schieben und kontrollieren, ob alles seinen richtigen Ablauf hat. Sam Bell (Sam Rockwell) hat diese Aufgabe übernommen und seine einige Monate dauernde „Schicht“ ist nun fast vorüber. Er freut sich bereits auf die Rückreise zur Erde und zu seiner Familie. Bei einem Ausflug zu einem der Abbau-Einheiten passiert jedoch ein Unfall, bei dem Sam scheinbar stirbt. Als er kurze Zeit darauf überrascht in der Station aufwacht, sieht er sich einem anderen Mann gegenübergestellt, der genauso aussieht wie Sam und von sich behauptet, Sam Bell zu sein. Was genau geschehen ist, woher der seltsame „Fremde“ (bzw. Gleiche) kommt: Das ist der dystopische Gegenstand des Films.
Duncan Jones‘ Debütfilm erzählt seine Geschichte in ruhigen Bildern und noch ruhigeren Tönen (die kongeniale Musik von Clint Mansell leistet mit ihren repetitiven Motiven einiges zum Gelingen des Films) – zeitweise fühlt man sich an Kubricks „2001“ erinnert. Und es ist möglich, dass solche Assoziationen nicht ungewollt sind, denn hier wie dort soll sich hinter der Fassade der schönen neuen Technikwelt ein Abgrund auftun, der sich erst aus den nicht-antizipierten Folgen technischer Entwicklung ergibt. In „Moon“ sind es gleich mehrere solcher Technologien, die gleichermaßen Segen und Fluch der Menschheit darstellen. Dass diese Technologien im Modus des Science Fiction sozusagen auf den Mond verfrachtet werden, also in das utopische Szenario schlechthin, offenbart den warnenden Aspekt im Film: So wie der Mond gleichzeitig erreichbar und unerreichbar ist, sind es auch die in „Moon“ beschriebenen Technologien. Sie zu besitzen eröffnet Möglichkeitsräume, die bislang uneinsehbar sind – außer durch die Science Fiction, im Wortsinne verstanden. Der Blick zum Mond, zumal medial vermittelt, offenbart sich also wieder einmal vor allem als ein Blick auf die Erde.