Aus der Vogelperspektive wirkt das Auto allein und verloren in der weiten, flachen Landschaft vor der bretonischen Küste. Der populäre Filmschauspieler Mathieu (Guillaume Canet) befindet sich auf dem Weg in ein großes, modernes Wellnesshotel am Meer, wo er mit einer einwöchigen Thalassotherapie Abstand zu seinem Berufsalltag finden will. Weil Nachsaison ist, wie der Originaltitel „Hor-Saison“ von Stéphane Brizés neuem Film „Zwischen uns das Leben“ bereits ankündigt, herrscht in den hellen, sterilen Räumen eine ungewohnte Ruhe. Mathieu fühlt sich einsam unter den vereinzelten Kurgästen und unter den Bedingungen eines allgemeinen Stillstands, der die Konfrontation mit seinen Selbstzweifeln noch verstärkt. Denn tatsächlich hat der Schauspieler, der mit einem ersten Auftritt auf der Theaterbühne seiner Karriere einen neuen Impuls geben wollte, vier Wochen vor der Premiere aus Angst vor dem Scheitern die Proben abgebrochen. Noch immer ist er verunsichert und hadert mit seiner Entscheidung. Sein Selbstwertgefühl ist erschüttert.
Stéphane Brizé intensiviert in seinem sorgsam entwickelten Film dieses Gefühl einer existentiellen Verunsicherung noch dadurch, dass er seinen psychisch angegriffenen Protagonisten einer Reihe von Situationen aussetzt, in denen die Tücken der Objekte für weiteres Ungemach sorgen. Das ist zugleich komisch und traurig und verstärkt den Krisencharakter der Figur, die diversen Kontrasten zwischen Außenwelt und innerem Erleben ausgesetzt wird. Außerdem erzeugt Brizé in seinem tragikomischen Film eine melancholische Grundstimmung, indem er durch eine asynchrone Montage von Bild und Ton das raum-zeitliche Kontinuum aufbricht, was zugleich der Erzählökonomie zugute kommt. In diesem Flow entgrenzter Koordinaten und gesteigerter Desorientierung begegnet Mathieu seiner früheren Freundin Alice (Alba Rohrwacher), die er vor 15 Jahren verlassen hat und die jetzt mit Ehemann und Tochter in dem Küstenort lebt.
In langen, ausführlichen Gesprächen, die mitunter die Anmutung eines kammerspielartigen Zwei-Personen-Stücks haben, tauschen sich die beiden über die Vergangenheit und ihr gegenwärtiges Leben aus. Erneut nähern sie sich einander an und rufen alte, noch immer virulente Gefühle wach. In ihrer Beziehung scheint etwas noch nicht abgeschlossen zu sein. Vor allem Alice wähnt sich auf der Verliererseite und glaubt, als Pianistin ihre kreativen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft zu haben: „Ich habe mich selbst in ein Loch gegraben. Ich kann nicht rausholen, was in mir steckt.“ Auf diesen Mangel führt sie schließlich auch das Scheitern ihrer früheren Beziehung zurück. Zu diesem Zeitpunkt weiß sie allerdings noch nicht, dass entgegen dem Anschein auch bei Mathieu nicht alles rund läuft. Je intimer und zärtlicher ihre Begegnungen werden, desto mehr und dringlicher öffnen sie sich ihren persönlichen Wahrheiten und finden so zu einem Ausgleich in ihrer Beziehung und zum Abschluss einer Liebesgeschichte, die ebenso schön wie schmerzlich ist.