Gegen Ende des Films erklärt Helke Sander, dass sich die einzelnen Punkte der Tage erst durch Anstrengung zu einer sinnerfüllten Lebenslinie verbinden. Nachdenken, sich einmischen und Engagement kennzeichnen entsprechend das Leben und die künstlerische Biographie der streitbaren Filmemacherin und kämpferischen Feministin, die das Private stets politisch betrachtet und von der Veränderbarkeit der Verhältnisse überzeugt ist. „Warum ist, was ist?“ In ihrem bekanntesten Film „Die allseitig reduzierte Persönlichkeit – Redupers“ (1978) zeigt sie, wie eine von ihr selbst gespielte Fotografin sich auf unterschiedliche Aufgaben „aufteilen“ muss, um über die Runden zu kommen; und wie die Stadt Berlin zum Spiegel dieser Zerrissenheit wird. Was alles in einen Tag passt, verbindet sich im Zeichen einer unbedingten Integrität auch hier zu einer Linie.
Claudia Richarz folgt in ihrem Dokumentarfilm „Helke Sander: Aufräumen“ relativ chronologisch den wichtigen Punkten einer Lebenslinie, indem sie die einzelnen Stationen mit Ausschnitten aus den Filmen der Portraitierten verzahnt. Das beginnt mit dem ersten Jahrgang der 1966 eröffneten dffb, wo Helke Sander zusammen mit Harun Farocki und anderen nicht nur über ein Leben und Arbeiten jenseits von Verwertungszwecken und beruflichem Fortkommen nachdenkt, sondern Film als Medium der politischen Aktion und Agitation begreift. „Brecht die Macht der Manipulateure!“ (1966) lautet folglich der Titel des Films, der sich kritisch und kreativ mit dem politischen Einfluss des Springer-Konzerns auseinandersetzt. Kurz darauf sieht man Helke Sander im September 1968 bei der Delegiertenkonferenz des SDS in Frankfurt, wo sie mit ihrer legendären „Tomatenrede“ die geschlechtsspezifische Dominanz ihrer Genossen ins Visier nimmt.
Mit ihrer Mitwirkung an dem Film „Das schwache Geschlecht muss stärker werden“ (1969) und eigenen Arbeiten wie „Eine Prämie für Irene“ (1971) und „Der subjektive Faktor“ (1981) thematisiert Sander dann auch unterdrückende Geschlechterrollen-Zuschreibungen, ungleiche Arbeitsbelastungen und das Bedürfnis, Zeit für sich und die eigene Selbstentwicklung zu finden. Im Gespräch mit Richarz erläutert die 1937 geborene Filmemacherin, wie sie sich selbst immer wieder „als Material benutzt“ habe, ohne aber in ihren Filmen direkt autobiographisch zu sein. Ihre frühe Mutterschaft, das Verhältnis zu ihrem Sohn und die Mehrfachbelastungen als Alleinerziehende geben davon Zeugnis. Kriegserlebnisse während der Bombennächte von Dresden sowie die Beschäftigung mit dem Tabu der im Krieg vergewaltigten Frauen führen schließlich zu dem kontrovers diskutierten Film „BeFreier und Befreite“ (1992).
Zeitgeschichtliche Dokumente, Selbstauskünfte sowie das im Titel aufgerufene „Aufräumen“, bei dem die Portraitierte, die einst auch die Zeitschrift „Frauen und Film“ mitgegründet hat, immer wieder auf Erinnerungen stößt, bilanzieren letztlich ein Leben der Unruhe und Bewegung. Wenn Helke Sander schließlich am Familiengrab sitzt und ein finnisches Gedicht liest, das davon handelt, wie man in der Lautlosigkeit die innerste Stimme hört, scheint die Filmemacherin und Autorin, die sich nicht auf ihr feministisches Engagement reduziert sehen möchte, mit ihrer Lebenslinie ganz bei sich angekommen zu sein.