Lange bevor in den Werbeclips von Lucky Strike smarte Glimmstängel kleine, hintersinnige Sketche erzählten, ließ der Filmpionier Oskar Fischinger (1900–1967) bereits in den 1930er Jahren die Zigaretten tanzen. In seinem sehr beliebten „Zigarettenfilm“ „Muratti greift ein“, einem Reklametrailer für die gleichnamige Firma, choreographiert „der Zauberer der Friedrichstraße“ zur Musik von Josef Bayers „Die Puppenfee“ ein Ballett aus animierten Kippen. Die Verbindung von Rhythmus und Film, vor allem mit, aber auch ohne Musik, beschäftigen den bedeutenden Vertreter des absoluten Films aber bereits seit seinen künstlerischen Anfängen in den zwanziger Jahren. In diversen, ungemein einfallsreichen und fantasievollen „Studien“ werden aus einfachen Strichen die Flügelschläge von Vögeln oder Wellen des Meeres, geometrische Figuren reiben sich aneinander oder gehen Verbindungen ein, und runde, kreisende Formen verschmelzen miteinander. Diese oft verspielten Bewegungen synchronisiert der erfinderische Avantgardist und Vorläufer der Musikvideos zu meist klassischer Musik.
In ihrem sehr informativen und aufschlussreichen Film „Oskar Fischinger – Musik für die Augen“ dokumentieren Harald Pulch und Ralf Ott nun den künstlerischen Werdegang und Lebensweg des Experimentalfilmers, der zeitlebens um Unabhängigkeit bemüht war. Sie tun das, indem sie sehr konzentriert und mit verdichteten Mitteln der weitgehend chronologischen Erzählung von Fischingers jüngerer Ehefrau und Mitarbeiterin Elfriede Fischinger (1910–1999) folgen, die Pulch für ein langes Interview im Jahre 1993 im kalifornischen Long Beach besuchte. Die hochbetagte Frau erweist sich als höchst vitale, auskunftsfreudige und dabei völlig uneitle Zeitzeugin, die ihre klaren Erinnerungen zu brillanten Erzählungen über die Entstehungsbedingungen von Fischingers Kunst formt. Dabei gewährt sie nicht nur Einblicke in dessen Trickfilmwerkstatt, sondern erzählt auch, wie Fischingers Ideen oft von alltäglichen Begebenheiten inspiriert wurden. Veranschaulicht und ergänzt werden diese Werkstattberichte wiederum durch die entsprechenden Animationsfilme.
Daneben thematisieren die Filmemacher in einzelnen Kapiteln anhand von Fischingers bewegtem Lebensweg dessen fortwährendes Ringen um künstlerische Freiheit, das von Geldsorgen und Existenznöten begleitet ist. Angeregt von Walther Ruttmanns „Lichtspielen“ kann Fischinger am Beginn seiner Karriere nach einer Zwischenstation in München beim Animationsfilmer Louis Seel (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Maler), wo er an den satirischen „Bilderbogen“-Filmen mitarbeitet, ab 1927 zunächst in Berlin Fuß fassen. Hier realisiert er unter anderem Trickfilmsequenzen für Fritz Langs „Frau im Mond“ und Victor Jansens „Das Blaue vom Himmel“. Außerdem experimentiert er für den Reklamefilm „Kreise“ (1933) und für die bei der Biennale in Venedig prämierte „Komposition in Blau“ (1934/35) mit Farbe. Doch die zunehmend kunstfeindliche Stimmung in Nazi-Deutschland veranlassen ihn, zusätzlich angelockt durch ein Angebot der Paramount Pictures, 1936 zusammen mit seiner Frau in die USA zu emigrieren.
Sein Selbstverständnis als „Katalyst“ und „Idealist“ führt allerdings immer wieder zu Konflikten mit seinen Arbeitgebern und zu Kündigungen. Über seine ernüchternden Erfahrungen bei Disney, wo er eine Zeit lang am Film „Fantasia“ mitarbeitet und einem Knebelvertrag unterworfen ist, wird er später sagen: „Kein wirkliches Kunstwerk kann mit der Arbeitsweise entstehen, die im Disney-Studio üblich ist.“ Und so zieht sich Fischinger schließlich trotz eines Guggenheim-Stipendiums „vom Bewegtbild zum Standbild“ – so einer der gliedernden Zwischentitel – zurück und malt seine „tönenden Ornamente“ in Öl.