Selbstmord soll ihr Sohn begangen haben, so die offizielle Mitteilung, die Svetlana erhält. Der Junge war zum Wehrdienst eingezogen worden, und den hat er nicht überlebt. „Mein Sohn ist kein Selbstmörder“, sagt Svetlana. Als sie den Leichnam sehen konnte, habe sie bemerkt, dass der Körper voller Blutergüsse gewesen sei. Svetlana ist sich sicher: Ihr Sohn ist Opfer der „Herrschaft der Großväter“ geworden, eines Systems, in dem ältere Armeeangehörige jüngere quälen – und das manchmal mit tödlichem Ausgang.
„Motherland“ heißt der traurige Dokumentarfilm der belarussischen Regisseure Hanna Badziaka und Alexander Michalkowitsch. Das „Land der Mütter“ interpretieren sie dabei auf denkbar drastische Weise: Sie begleiten Svetlana auf ihrer Reise zu anderen Eltern, die ihr Kind im Dienst der Armee verloren. Gemeinsam schreiben sie Eingaben an das Verteidigungsministerium, wollen Aufklärung, was den Söhnen widerfahren ist.
Ihr zweiter Protagonist ist Nikita, der gerade zum Wehrdienst eingezogen wurde. Auch er erlebt unwürdige Zustände, viele seiner Freunde sind bereits vor dem Dienst geflohen. Mit einer Sache hat der junge Mann, der durchaus hinter seinem Land steht, nicht gerechnet: Als es 2020 zu Protesten gegen den Präsidenten Aleksandr Lukaschenko kommt, weil es zu Unregelmäßigkeiten bei seiner Wiederwahl gekommen sein soll, wird die Armee beauftragt, für Ordnung zu sorgen. Nikita wird schlecht bei dem Gedanken, auf die Demonstranten schießen zu müssen – nicht zuletzt, weil auch Freunde von ihm darunter sein könnten. Neulich waren sie noch zusammen auf einem Rave!
Auch unter den jungen Protestteilnehmern hören sich die Filmemacher um. Sie berichten von Übergriffen durch die Ordnungskräfte, dass Menschen zu Tode gekommen sind, sprechen von Prügel und schlimmen Haftbedingungen. Badziaka und Michalkowitsch halten mit ihrer Kamera voll drauf auf Belarus – das Land ihrer Mütter zeigt sich dabei nicht von der besten Seite.
Diese Kritik erschien zuerst am 12.08.2023 auf: links-bewegt.de