An ihrem langen Ende werden die Haare einer jungen Frau mit einer Schnur umwickelt und schließlich gespannt, als hingen sie an Zügeln. Je stärker ihr Kopf in eine Richtung zieht, desto schmerzhafter wirkt die Gegenkraft desjenigen, der die Schnur hält. Es sei gut, wenn es spürbar wird, dass die gehemmte, eingeschränkte Bewegung „ein bisschen quält“, sagt die Fotografin Gabriele Stötzer über ihre Performance, mit der sie visualisiert, wie ein Mensch an seine Vergangenheit gebunden ist. In besonderer Weise gilt dies nicht nur für sie selbst, sondern auch für ihre Kolleginnen Cornelia Schleime und Tina Bara. Sie alle stammen aus der DDR und widersetzten sich als Künstlerinnen staatlichen Schikanen und Repressionen. In ihrem Dreifachportrait „Rebellinnen – Fotografie. Underground. DDR“ widmet sich Pamela Meyer-Arndt in Interviews, vor allem aber anhand vieler Fotos und einiger Super-8-Filme dem beeindruckenden Werk der Künstlerinnen in seiner jeweiligen engen Verflechtung mit dem Leben.
Während Tina Bara (Jahrgang 1962) in ihren auf Kommunikation und Austausch zielenden Fotos den staatlichen Druck als „Katalysator“ versteht, weil er Gegendruck erzwinge und im Hinblick auf das Ausloten von Grenzen erfinderisch mache, erlebt die 1953 geborene Cornelia Schleime die Reglementierung und Unterdrückung ihrer künstlerischen Entfaltungsmöglichkeiten vor allem als eine Form des Eingeschlossenseins. Ihre performativen Fotos zeigen entsprechend immer wieder mit Schnüren geknebelte Frauenköpfe und eingewickelte, gewissermaßen mumifizierte, erstarrte und zur Bewegungsunfähigkeit gezwungene Körper. Von den Offiziellen als „Müllkunst“ diffamiert, folgen Cornelia Schleimes Arbeiten einem erweiterten Kunstbegriff, den sie mit lustvoller Sinnlichkeit und kreativer Freizügigkeit jenseits einer planen Konzeptkunst mit ihrem eigenen Leben beglaubigt. Auffallend oft rückt sowohl bei ihr als auch bei den anderen beiden Künstlerinnen neben dem Gesicht der nackte weibliche Körper in den Mittelpunkt. Seine ausgestellte Verletzlichkeit wird so zu einem Akt des Widerstands.
Ungeschützte Nacktheit, die Nähe zum Schmerz, eingewickelte Körper und scheinbar „blutende“ Augen spielen auch in den Fotografien und subversiven Filmen der ebenfalls 1953 geborenen Gabriele Stötzer eine irritierende Rolle. Als sie mit ihrer Unterschrift gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann protestiert, landet sie im Gefängnis, wo sie im Chor der für sie Schreienden eine besondere Form weiblicher Nähe und Solidarität erlebt. Dann, nach ihrer Entlassung, verstummt sie zunächst, bewahrt sich aber ihre Widerständigkeit und weigert sich, aufzugeben oder gar zu gehen. Zu zeigen, „wir sind da“, wird bei ihr zum Fanal einer „Kunst gegen die Auslöschung“. Während ihre Kolleginnen mehr oder weniger unfreiwillig in den Westen gehen, wird für Stötzer das bewusste Bleiben zum Credo. Leben und Kunst sind auch bei ihr untrennbar miteinander verwoben. In ihrem Experimentalfilm „…hab ich euch nicht glänzend amüsiert?“ wird die Endlosschleife des titelgebenden Satzes zu einer bitteren, verstörenden Litanei.