Eigentlich ist Freddie der maskulin klingende Kosename von Frédérique Benoît. Allerdings wurde die 25-jährige Französin einst als Yeon-hee in Südkorea geboren, bevor sie Mitte der 1990er Jahre zur Adoption freigegeben wurde. Jetzt steht Freddie (Park Ji-min) mit wunderlichem Blick in einem Seouler Gästehaus vor der höflichen, etwa gleichaltrigen Rezeptionistin Tena (Guka Han). Die beiden sprechen ganz selbstverständlich Französisch. Doch Freddies direkte, ungezwungene Art, die sich auf teils konfrontative Weise den ortsüblichen Gepflogenheiten und kulturellen Konventionen verweigert, stößt spätestens am Abend beim gemeinsamen Restaurantbesuch auf Irritationen und Unverständnis. Sie erklärt, was es heißt, „vom Blatt zu spielen“: „Viele Zeichen sehen wir, ohne sie zu kennen.“ Und definiert kurzerhand Situationen mit ihrem erlernten Zeichenvokabular um, indem sie im übertragenen Sinne spontan auf Neues reagiert. Kulturelle Differenz und sprachliche Verständigungsschwierigkeiten wiegen in Davy Chous Film „Return to Seoul“ umso stärker, je mehr sich die Protagonistin mit ihrer Herkunft und damit ihrer Identität beschäftigt.
Dabei will Freddie angeblich nur für zwei Wochen eher plan- und ziellos Ferien machen, ohne nach ihren biologischen Eltern zu forschen. Doch dann geht sie doch zum Adoptionszentrum Hammond, das vor allem nach dem Koreakrieg viele Kinder und Waisen ins Ausland vermittelte. Während Freddies leibliche Mutter zunächst einen Kontakt ablehnt, kommt es zu einer Begegnung mit dem Vater, den sie zusammen mit Tena an einem Wochenende in der Küstenstadt Gunsan besucht. Der Weg dorthin führt über einen langen Fahrdamm, der sich in der Weite zu verlieren scheint. „Folgsam“ und „freundlich“ bedeute ihr koreanischer Name, hatte bereits die Vermittlerin auf dem Amt übersetzt. Und an andere Stelle werden Freddies Gesichtszüge als „rein koreanisch“ beschrieben. Die in Frankreich sozialisierte junge Frau wehrt sich gegen solche Zuschreibungen und Integrationsversuche und blockt zugleich die emotionalen Avancen und „Übergriffe“ des Vaters ab, der sein Kind einst aus wirtschaftlicher Not zur Adoption freigab.
Wenn Freddie einmal unter der Dusche steht, wirkt das, als würde der Wasserstrahl alle Konflikte von ihr abwaschen. Tatsächlich fühlt sie sich allein. „I never needed anybody“, heißt es in einem Song, bevor Freddie wild und ganz für sich tanzt. „Du bist ein sehr trauriger Mensch“, sagt Tena zu ihr, die verloren und doch auch bei sich ist. Dann vergeht Zeit in Davy Chous melancholischem Film über eine schmerzliche Selbstsuche zwischen den Kulturen. Denn Freddie kehrt in den nächsten acht Jahren wiederholt nach Seoul zurück, taucht ein in die queere, freizügige, ja rauschhafte Künstlerszene und hat eine Affäre mit dem älteren französische Waffenhändler André (Louis-Do De Lencquesaing). Davy Chous Inszenierung ist immer nah bei seiner Heldin und ihrer inneren Zerrissenheit. Behutsam und geduldig begleitet der französische Regisseur kambodschanischer Herkunft den widersprüchlichen Prozess ihrer Annäherung an eine fremde Identität. Wenn Freddie am Ende ein Stück von J. S. Bach tastend „vom Blatt spielt“, verwandeln sich die unbekannten Zeichen der Notenschrift spontan in etwas Vertrautes.