Die Frau im Nebel

(KR 2022; Regie: Park Chan-wook)

Das Rätselspiel der Liebe

Die abrupten ersten Schnitte und Szenenwechsel mit ihren überlappenden Dialogen deuten bereits darauf hin, dass Park Chan-wook in seinem neuen Film „Die Frau im Nebel“ die übliche raum-zeitliche Logik außer Kraft setzt. Sein assoziativ verdichtetes, sehr schnelles und komplexes Erzählen, mit dem er den Ermittlungen des smarten Polizeikommissars Jang Hae-joon (Park Hae-il) folgt, vermischt wie in einem halbwachen Zustand permanent Realität, Imagination und Traum. Sprunghaft wie ein Comic etabliert der gefeierte südkoreanische Regisseur ein kunstvoll gestaltetes Vexierspiel aus Verdoppelungen, Spiegelungen und scheinbaren Nebensächlichkeiten, die jedoch Puzzleteile einer engen motivischen Verzahnung sind. Paradoxien, ein skurriler Humor, eine artifizielle Bildsprache und angeblich bedeutsame Zeichen erweisen sich zugleich als manipulatives postmodernes Spiel, mit dem Park den Inhalt einer ästhetischen Strategie unterordnet und den Zuschauer in Haft nimmt.

Die Suspendierung des raum-zeitlichen Kontinuums passt wiederum ganz gut zu einem Kommissar, der unter Schlaflosigkeit leidet und deshalb zum besessenen Observierer geworden ist. Außerdem führt er eine Wochenendbeziehung mit seiner Ehefrau Jung-an (Lee Jung-hyun), die als Wissenschaftlerin in Ipo lebt, während Hae-joon in Busan arbeitet. Dort begegnet er im Zuge von Ermittlungen der ebenso schönen wie geheimnisvollen Witwe Song Seo-rae (Tang Wei), die eben ihren Mann bei einem Unfall verloren hat. Oder war der Sturz des Bergsteigers ein Suizid, gar ein Mord? Der eifrige, von ungelösten Fällen umstellte Polizist ermittelt in alle Richtungen und kommt dabei sehr schnell der überraschend nüchternen Seo-rae näher. Diese ist einst aus China geflohen und arbeitet nun als sorgsame Krankenschwester in einem Altenpflegeheim. Hae-joon verliebt sich in die kühle Femme fatale und verliert dabei seine berufsmäßige Objektivität und Neutralität aus dem Blick. In der Folge verbessert sich allerdings zunehmend die Qualität seines Schlafes.

Obwohl der von gegensätzlichen Gefühlen gelenkte Polizist der mysteriösen Witwe den Mord nachweisen kann, schließt er den Fall als Tat eines Selbstmörders ab. „Er ist gestorben, wie er es sich gewünscht hat“, sagt Seo-rae. Ein Jahr später – die beiden sind mittlerweile getrennt – wird sich das Morden an einem anderen Ort und unter anderen Vorzeichen wiederholen. Park Chan-wook konstruiert in seinem melodramatischen Neo-Noir ein ebenso schillerndes wie vieldeutiges Spiel mit Zeichen. Solange ein Fall nicht gelöst ist, kommt Hae-joon nicht zur Ruhe. Seo-rae wiederum strebt und verlangt danach, für den Ermittler ein ungelöster Fall zu werden, um ihm in ihrer Liebe nahe zu sein. Sie tötet, weil sie liebt. Morde sind für sie ein Vehikel, um von Hae-joon „als Verdächtige“ behandelt zu werden. Parks elaboriertes filmisches Rätselspiel zeigt Liebesbesessene, die sich verfehlen müssen, weil ihre leidenschaftliche Obsession nur in Gegensätzen zueinander findet.

Die Frau im Nebel
Südkorea 2022 - 138 min.
Regie: Park Chan-wook - Drehbuch: Park Chan-wook - Produktion: Park Chan-wook, Daeseok Ko - Bildgestaltung: Ji-yong Kim - Montage: Sang-beom Kim - Musik: Yeong-wook Jo - Verleih: Plaion Pictures - FSK: ab 16 - Besetzung: Tang Wei, Go Kyung-Pyo, Park Hae-il, Jung Yi-seo, Jeong Min Park
Kinostart (D): 02.02.2023

DVD-Starttermin (D): 25.05.2023

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt12477480/
Foto: © Plaion Pictures