Alexei Nawalny dürfte – zumindest im Westen – als der auffälligste Vertreter der russischen Opposition gelten. Und das nicht erst, seit er dort verurteilt und weggesperrt wurde. Er ist prominenter Gegner Wladimir Putins, der von ihm nur als der „Person“ spricht, und agitiert gegen dessen Partei Einiges Russland. Immer wieder hat er Enthüllungen über Parteimitglieder via Social Media in Umlauf gebracht.
Seit Ende der 1990er Jahre ist der 45-jährige als Antikorruptionsaktivist in der Oppositionspolitik tätig, sofern diese überhaupt möglich ist. Und als Aktivist gegen Korruption. Von den einen als CIA-Agent verschrien, von anderen als aufrechter Kämpfer glorifiziert, hat er das Zeug, Menschen gegen sich aufzubringen wie sie einzunehmen.
Und Nawalny gibt sich durchaus zwiespältig. Durchaus kontrovers hat er sich mit seinen Äußerungen in die Nähe russischer Nationalisten manövriert. Er selbst erklärt das damit, dass Russland mit solchen Figuren bis obenhin voll wäre. Man könne nicht russische Politik machen und einen entscheidenden Teil der Bevölkerung außen vor lassen. In einem „normalen“ politischen System, sagt er, wäre er nicht „mit solchen Leuten“ in einer Partei. Überzeugend geht anders.
Das alles erzählt er in die Kamera des nicht mal 30-jährigen kanadischen Regisseurs Daniel Roher, der nun mit „Nawalny“ eine rund 100 Minuten lange Dokumentation über den schillernden Oppositionellen gedreht hat – in der er sich durchaus hütet, sich mit den Belangen Nawalnys allzu sehr gemein zu machen.
Ein weltweiter Aufreger war dessen Vergiftung vor zwei Jahren; nachdem Nawalny aus Russland ausgeflogen war, wurde er in der Berliner Charité behandelt. Auch im Film ist die Geschichte des Mordanschlags auf ihn zentral und markiert den Höhepunkt, wenn Nawalny und sein Team glauben, sie hätten die Attentäter, staatliche Akteure, ausfindig gemacht. Nawalny kann mit einem von ihnen ein fast einstündiges Telefongespräch führen, in dem der Mann zugibt, an dem Attentat beteiligt gewesen zu sein. Flankiert werden die Aufnahmen von Statements von Journalisten der Plattform Bellingcat und vom „Spiegel“, die in diesem Fall recherchiert haben.
Darüber hinaus kommen Weggefährten und die Familie zu Wort. Menschen, die auf der Flucht sind, aus dem Koffer leben, ihre Jugend verpassen wie Nawalnys Tochter.
Man lernt etwas über die Art und Weise, wie in Russland Politik gemacht wird. Und da legt Nawalny immer wieder gern die Finger in die Wunde. Die Politiker möchten sich gern mal an die Gesetze des Landes halten, vom gängigen Villenbau Abstand nehmen, während die Bevölkerung nichts im Kühlschrank hat. Ein durchaus existenzgefährdendes Unternehmen: Nawalny sitzt derzeit für lange Zeit in Haft wegen angeblich veruntreuter Stiftungsgelder.
Ein spektakulärer und debattenträchtiger Dokumentarfilm.
Diese Kritik erschien zuerst am 28.04.2022 auf: links-bewegt.de