Von der Achtziger-Jahre-Hertie-Tüte, die sie haben auftreiben oder nachbilden lassen, sind die Filmemacher offenbar begeistert. Mehrfach ist sie groß im Bild und muss als Transportbehältnis für die gefälschten Hitler-Tagebücher herhalten. Den üblichen Ausstattungsirrsinn deutscher Fernsehfilme inklusive großer Autoschau samt R4 und VW-Käfer sowie all die Gassenhauer im Soundtrack und die schlecht sitzenden Anzüge und Kassengestelle nimmt man noch in Kauf. Lars Eidinger darf nicht nur nach Herzenslust grimassieren auf seiner Achterbahnfahrt als Stern-Starreporter Gerd Heidemann, der 1983 vermeintlich die Tagebücher Adolf Hitlers als Knüller an Land zieht, sondern sich auch noch mit der Tochter Görings vergnügen und dabei Sätze sagen wie: „Du bist der Jackpot meines Lebens.“ Moritz Bleibtreu sächselt-schwäbelt sich gemütlich und mit viel Sympathie durch seine Rolle des knuffigen Hitler verharmlosenden Kunstfälschers Konrad Kujau („Ich mag Konrad Kujau, ich finde den einfach lustig“).
Die sechsteilige Serie „Faking Hitler“ fügt der bekannten Geschichte des Skandals um die gefälschten Hitler-Tagebücher ganz offen die Fiktion hinzu, eine Nachwuchsredakteurin habe den Abdruck der Tagebücher zusammen mit einem jüdischen Aktivisten verhindern wollen. Doch die Herren Kollegen halten die junge Elisabeth Stöckel (Sinje Irslinger) für hysterisch und feuern sie. Dafür konfrontiert sie ihren Vater Hans (Ulrich Tukur), einen linksliberalen Juraprofessor, mit seiner Nazivergangenheit, woraufhin der sich selbst als Buße für seine Beteiligung an einem Massaker in Frankreich ins Gefängnis einliefert. Selbst der jüdische Rächer Leo Gold (Daniel Donskoy), der selbstverständlich mit der engagierten Reporterin anbandelt, ist nun schwer beeindruckt von seinem Schwiegervater in spe.
Die Serie handelt von einem Fälschungsskandal und fälscht munter mit: „Faking Hitler“ zeichnet ein geschöntes Geschichtsbild, in dem Nazi-Täter sich reumütig läutern. Und das ganz ohne Kujau, der diesen Promofilm nicht mehr erleben darf.
Die sechsteilige Serie „Faking Hitler“ läuft auf RTL+ im Stream.
Diese Kritik erschien zuerst in Jungle World 50/2021.